res behält, als zur Bezeichnung ihrer Zeit und Gegend gehö- ret. Alle Drachen und Wundergestalten des über die Asiati- schen Gebürge sich erstreckenden uralten Feenlandes, der Si- murgh und Soham, die Lahen, Dewetas, Dschins, Divs und Peris, eine in tausend Erzählungen vom Dschinnistan, Rig- hiel, Meru, Albordj u. f. weit verbreitete Mythologie dieses Welttheils, alle diese Abentheuer verschwinden in der ältesten Tradition der Schriftsprache und nur der Cherub hält Wache an den Pforten des Paradieses.
Dagegen erzählt diese lehrende Geschichte, daß die erst- geschaffenen Menschen mit den unterweisenden Elohim im Umgange gewesen, daß sie unter Anleitung derselben durch Kenntniß der Thiere sich Sprache und herrschende Vernunft erworben, daß da der Mensch ihnen auch auf eine verbotene Art in Erkenntniß des Bösen gleich werden wollen, er diese mit seinem Schaden erlangt und von nun an einen andern Ort eingenommen, eine neue künstlichere Lebensart angefangen habe; lauter Züge der Tradition, die hinter dem Schleier ei- ner Fabelerzählung mehr menschliche Wahrheit verbergen, als große Lehrgebäude vom Naturzustande der Avthochthonen. Sind, wie wir gesehen haben, die Vorzüge des Menschenge- schlechts ihm nur als Fähigkeit angebohren, eigentlich aber durch Erziehung, Sprache, Tradition und Kunst erworben
und
res behaͤlt, als zur Bezeichnung ihrer Zeit und Gegend gehoͤ- ret. Alle Drachen und Wundergeſtalten des uͤber die Aſiati- ſchen Gebuͤrge ſich erſtreckenden uralten Feenlandes, der Si- murgh und Soham, die Lahen, Dewetas, Dſchins, Divs und Peris, eine in tauſend Erzaͤhlungen vom Dſchinniſtan, Rig- hiel, Meru, Albordj u. f. weit verbreitete Mythologie dieſes Welttheils, alle dieſe Abentheuer verſchwinden in der aͤlteſten Tradition der Schriftſprache und nur der Cherub haͤlt Wache an den Pforten des Paradieſes.
Dagegen erzaͤhlt dieſe lehrende Geſchichte, daß die erſt- geſchaffenen Menſchen mit den unterweiſenden Elohim im Umgange geweſen, daß ſie unter Anleitung derſelben durch Kenntniß der Thiere ſich Sprache und herrſchende Vernunft erworben, daß da der Menſch ihnen auch auf eine verbotene Art in Erkenntniß des Boͤſen gleich werden wollen, er dieſe mit ſeinem Schaden erlangt und von nun an einen andern Ort eingenommen, eine neue kuͤnſtlichere Lebensart angefangen habe; lauter Zuͤge der Tradition, die hinter dem Schleier ei- ner Fabelerzaͤhlung mehr menſchliche Wahrheit verbergen, als große Lehrgebaͤude vom Naturzuſtande der Avthochthonen. Sind, wie wir geſehen haben, die Vorzuͤge des Menſchenge- ſchlechts ihm nur als Faͤhigkeit angebohren, eigentlich aber durch Erziehung, Sprache, Tradition und Kunſt erworben
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res behaͤlt, als zur Bezeichnung ihrer Zeit und Gegend gehoͤ-
ret. Alle Drachen und Wundergeſtalten des uͤber die Aſiati-
ſchen Gebuͤrge ſich erſtreckenden uralten Feenlandes, der Si-
murgh und Soham, die Lahen, Dewetas, Dſchins, Divs und
Peris, eine in tauſend Erzaͤhlungen vom Dſchinniſtan, Rig-
hiel, Meru, Albordj u. f. weit verbreitete Mythologie dieſes
Welttheils, alle dieſe Abentheuer verſchwinden in der aͤlteſten
Tradition der Schriftſprache und nur der Cherub haͤlt Wache
an den Pforten des Paradieſes.
Dagegen erzaͤhlt dieſe lehrende Geſchichte, daß die erſt-
geſchaffenen Menſchen mit den unterweiſenden Elohim im
Umgange geweſen, daß ſie unter Anleitung derſelben durch
Kenntniß der Thiere ſich Sprache und herrſchende Vernunft
erworben, daß da der Menſch ihnen auch auf eine verbotene
Art in Erkenntniß des Boͤſen gleich werden wollen, er dieſe
mit ſeinem Schaden erlangt und von nun an einen andern
Ort eingenommen, eine neue kuͤnſtlichere Lebensart angefangen
habe; lauter Zuͤge der Tradition, die hinter dem Schleier ei-
ner Fabelerzaͤhlung mehr menſchliche Wahrheit verbergen, als
große Lehrgebaͤude vom Naturzuſtande der Avthochthonen.
Sind, wie wir geſehen haben, die Vorzuͤge des Menſchenge-
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/350>, abgerufen am 22.12.2024.
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