Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

bringen vermögen, diese Urwärme der Schöpfung, sage ich, ohne
welche damals sich so wenig etwas organisiren konnte, als sich
jetzt ohne genetische Wärme etwas organisiret, sie hatte sich
allen Ausgeburten, die wirklich wurden, mitgetheilt und ist
noch jetzt die Triebfeder ihres Wesens. Welche unendliche
Menge groben Feuers z. B. riß die Steinmasse unsrer Erde
an sich, die noch in ihr schläft oder wirket, wie alle Vulkane,
alle brennbare Mineralien, ja jeder geschlagene kleine Kiesel
beweiset! Daß Brennbares in der ganzen Vegetation sei und
daß das animalische Leben sich bloß mit der Verarbeitung die-
ses Feuerstofs beschäftige, ist durch eine Menge neuerer Ver-
suche und Erfahrungen bewiesen: so daß der ganze lebendige
Kreislauf der Schöpfung der zu seyn scheint, daß das Flüßi-
ge vest und das Veste flüßig, das Feuer entwickelt und wieder
gebunden, die lebendigen Kräfte mit Organisationen beschränkt
und wieder befreyet werden. Da nun die Masse, die der Aus-
bildung unsrer Erde bestimmt war, ihre Zahl, ihr Maas, ihr
Gewicht hatte: so mußte auch die innere, sie durchwirkende
Triebfeder ihren Kreis finden. Die ganze Schöpfung lebt
jetzt von einander: das Rad der Geschöpfe läuft umher, ohne
daß es hinzuthue: es zerstört und bauet in den genetischen
Schranken, in die es der erste schaffende Zeitraum gesetzt hat.
Die Natur ist gleichsam durch die Gewalt des Schöpfers vol-
lendete Kunst worden und die Macht der Elemente in einen

Kreis-
S s 3

bringen vermoͤgen, dieſe Urwaͤrme der Schoͤpfung, ſage ich, ohne
welche damals ſich ſo wenig etwas organiſiren konnte, als ſich
jetzt ohne genetiſche Waͤrme etwas organiſiret, ſie hatte ſich
allen Ausgeburten, die wirklich wurden, mitgetheilt und iſt
noch jetzt die Triebfeder ihres Weſens. Welche unendliche
Menge groben Feuers z. B. riß die Steinmaſſe unſrer Erde
an ſich, die noch in ihr ſchlaͤft oder wirket, wie alle Vulkane,
alle brennbare Mineralien, ja jeder geſchlagene kleine Kieſel
beweiſet! Daß Brennbares in der ganzen Vegetation ſei und
daß das animaliſche Leben ſich bloß mit der Verarbeitung die-
ſes Feuerſtofs beſchaͤftige, iſt durch eine Menge neuerer Ver-
ſuche und Erfahrungen bewieſen: ſo daß der ganze lebendige
Kreislauf der Schoͤpfung der zu ſeyn ſcheint, daß das Fluͤßi-
ge veſt und das Veſte fluͤßig, das Feuer entwickelt und wieder
gebunden, die lebendigen Kraͤfte mit Organiſationen beſchraͤnkt
und wieder befreyet werden. Da nun die Maſſe, die der Aus-
bildung unſrer Erde beſtimmt war, ihre Zahl, ihr Maas, ihr
Gewicht hatte: ſo mußte auch die innere, ſie durchwirkende
Triebfeder ihren Kreis finden. Die ganze Schoͤpfung lebt
jetzt von einander: das Rad der Geſchoͤpfe laͤuft umher, ohne
daß es hinzuthue: es zerſtoͤrt und bauet in den genetiſchen
Schranken, in die es der erſte ſchaffende Zeitraum geſetzt hat.
Die Natur iſt gleichſam durch die Gewalt des Schoͤpfers vol-
lendete Kunſt worden und die Macht der Elemente in einen

Kreis-
S ſ 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0337" n="325"/>
bringen vermo&#x0364;gen, die&#x017F;e Urwa&#x0364;rme der Scho&#x0364;pfung, &#x017F;age ich, ohne<lb/>
welche damals &#x017F;ich &#x017F;o wenig etwas organi&#x017F;iren konnte, als &#x017F;ich<lb/>
jetzt ohne geneti&#x017F;che Wa&#x0364;rme etwas organi&#x017F;iret, &#x017F;ie hatte &#x017F;ich<lb/>
allen Ausgeburten, die wirklich wurden, mitgetheilt und i&#x017F;t<lb/>
noch jetzt die Triebfeder ihres We&#x017F;ens. Welche unendliche<lb/>
Menge groben Feuers z. B. riß die Steinma&#x017F;&#x017F;e un&#x017F;rer Erde<lb/>
an &#x017F;ich, die noch in ihr &#x017F;chla&#x0364;ft oder wirket, wie alle Vulkane,<lb/>
alle brennbare Mineralien, ja jeder ge&#x017F;chlagene kleine Kie&#x017F;el<lb/>
bewei&#x017F;et! Daß Brennbares in der ganzen Vegetation &#x017F;ei und<lb/>
daß das animali&#x017F;che Leben &#x017F;ich bloß mit der Verarbeitung die-<lb/>
&#x017F;es Feuer&#x017F;tofs be&#x017F;cha&#x0364;ftige, i&#x017F;t durch eine Menge neuerer Ver-<lb/>
&#x017F;uche und Erfahrungen bewie&#x017F;en: &#x017F;o daß der ganze lebendige<lb/>
Kreislauf der Scho&#x0364;pfung der zu &#x017F;eyn &#x017F;cheint, daß das Flu&#x0364;ßi-<lb/>
ge ve&#x017F;t und das Ve&#x017F;te flu&#x0364;ßig, das Feuer entwickelt und wieder<lb/>
gebunden, die lebendigen Kra&#x0364;fte mit Organi&#x017F;ationen be&#x017F;chra&#x0364;nkt<lb/>
und wieder befreyet werden. Da nun die Ma&#x017F;&#x017F;e, die der Aus-<lb/>
bildung un&#x017F;rer Erde be&#x017F;timmt war, ihre Zahl, ihr Maas, ihr<lb/>
Gewicht hatte: &#x017F;o mußte auch die innere, &#x017F;ie durchwirkende<lb/>
Triebfeder ihren Kreis finden. Die ganze Scho&#x0364;pfung lebt<lb/>
jetzt von einander: das Rad der Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe la&#x0364;uft umher, ohne<lb/>
daß es hinzuthue: es zer&#x017F;to&#x0364;rt und bauet in den geneti&#x017F;chen<lb/>
Schranken, in die es der er&#x017F;te &#x017F;chaffende Zeitraum ge&#x017F;etzt hat.<lb/>
Die Natur i&#x017F;t gleich&#x017F;am durch die Gewalt des Scho&#x0364;pfers vol-<lb/>
lendete Kun&#x017F;t worden und die Macht der Elemente in einen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S &#x017F; 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Kreis-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[325/0337] bringen vermoͤgen, dieſe Urwaͤrme der Schoͤpfung, ſage ich, ohne welche damals ſich ſo wenig etwas organiſiren konnte, als ſich jetzt ohne genetiſche Waͤrme etwas organiſiret, ſie hatte ſich allen Ausgeburten, die wirklich wurden, mitgetheilt und iſt noch jetzt die Triebfeder ihres Weſens. Welche unendliche Menge groben Feuers z. B. riß die Steinmaſſe unſrer Erde an ſich, die noch in ihr ſchlaͤft oder wirket, wie alle Vulkane, alle brennbare Mineralien, ja jeder geſchlagene kleine Kieſel beweiſet! Daß Brennbares in der ganzen Vegetation ſei und daß das animaliſche Leben ſich bloß mit der Verarbeitung die- ſes Feuerſtofs beſchaͤftige, iſt durch eine Menge neuerer Ver- ſuche und Erfahrungen bewieſen: ſo daß der ganze lebendige Kreislauf der Schoͤpfung der zu ſeyn ſcheint, daß das Fluͤßi- ge veſt und das Veſte fluͤßig, das Feuer entwickelt und wieder gebunden, die lebendigen Kraͤfte mit Organiſationen beſchraͤnkt und wieder befreyet werden. Da nun die Maſſe, die der Aus- bildung unſrer Erde beſtimmt war, ihre Zahl, ihr Maas, ihr Gewicht hatte: ſo mußte auch die innere, ſie durchwirkende Triebfeder ihren Kreis finden. Die ganze Schoͤpfung lebt jetzt von einander: das Rad der Geſchoͤpfe laͤuft umher, ohne daß es hinzuthue: es zerſtoͤrt und bauet in den genetiſchen Schranken, in die es der erſte ſchaffende Zeitraum geſetzt hat. Die Natur iſt gleichſam durch die Gewalt des Schoͤpfers vol- lendete Kunſt worden und die Macht der Elemente in einen Kreis- S ſ 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/337
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/337>, abgerufen am 22.12.2024.