Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


getation durch neue Absätze der Luft und des Wassers unter-
gehen mußten. Das Meer wimmelte von Lebendigem, sobald
es dazu geläutert gnug war, obgleich durch Ueberschwemmun-
gen des Meeres Millionen dieser Lebendigen ihr Grab finden
und damit andern Organisationen zum Stof dienen mußten.
Auch konnte in jeder Periode dieser auswirkenden Läuterungen
noch nicht jedes Lebendige jedes Elements leben; die Gattun-
gen der Geschöpfe folgten einander, wie sie ihrer Natur und
ihrem Medium nach wirklich werden konnten. Und siehe da,
alles dies faßt unser Naturweise in eine Stimme des Welt-
schöpfers zusammen, die, wie sie das Licht hervorrief und da-
mit der Luft sich zu läutern, dem Meer zu sinken, der Erde
allmälich hervorzugehen befahl, d. i. lauter wirksame Kräfte
des Naturkreises in Bewegung setzte, so auch der Erde, den
Wassern, dem Staube befiehlt, daß jedes derselben orga-
nische Wesen nach seiner Art hervorbringe und sich die
Schöpfung also durch eigne diesen Elementen einge-
pflanzte organische Kräfte selbst belebe.
So spricht die-
ser Weise und scheuet den Anblick der Natur nicht, den wir
jetzt noch allenthalben gewahr werden, wo organische Kräfte
sich ihrem Element gemäß zum Leben ausarbeiten. Nur stel-
let er, da doch abgetheilt werden mußte, die Reiche der Natur
gesondert gegen einander, wie der Naturkündiger sie sondert,
ob er wohl weiß, daß sie nicht abgezäunt von einander wirken.

Die


getation durch neue Abſaͤtze der Luft und des Waſſers unter-
gehen mußten. Das Meer wimmelte von Lebendigem, ſobald
es dazu gelaͤutert gnug war, obgleich durch Ueberſchwemmun-
gen des Meeres Millionen dieſer Lebendigen ihr Grab finden
und damit andern Organiſationen zum Stof dienen mußten.
Auch konnte in jeder Periode dieſer auswirkenden Laͤuterungen
noch nicht jedes Lebendige jedes Elements leben; die Gattun-
gen der Geſchoͤpfe folgten einander, wie ſie ihrer Natur und
ihrem Medium nach wirklich werden konnten. Und ſiehe da,
alles dies faßt unſer Naturweiſe in eine Stimme des Welt-
ſchoͤpfers zuſammen, die, wie ſie das Licht hervorrief und da-
mit der Luft ſich zu laͤutern, dem Meer zu ſinken, der Erde
allmaͤlich hervorzugehen befahl, d. i. lauter wirkſame Kraͤfte
des Naturkreiſes in Bewegung ſetzte, ſo auch der Erde, den
Waſſern, dem Staube befiehlt, daß jedes derſelben orga-
niſche Weſen nach ſeiner Art hervorbringe und ſich die
Schoͤpfung alſo durch eigne dieſen Elementen einge-
pflanzte organiſche Kraͤfte ſelbſt belebe.
So ſpricht die-
ſer Weiſe und ſcheuet den Anblick der Natur nicht, den wir
jetzt noch allenthalben gewahr werden, wo organiſche Kraͤfte
ſich ihrem Element gemaͤß zum Leben ausarbeiten. Nur ſtel-
let er, da doch abgetheilt werden mußte, die Reiche der Natur
geſondert gegen einander, wie der Naturkuͤndiger ſie ſondert,
ob er wohl weiß, daß ſie nicht abgezaͤunt von einander wirken.

Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0331" n="319"/><lb/>
getation durch neue Ab&#x017F;a&#x0364;tze der Luft und des Wa&#x017F;&#x017F;ers unter-<lb/>
gehen mußten. Das Meer wimmelte von Lebendigem, &#x017F;obald<lb/>
es dazu gela&#x0364;utert gnug war, obgleich durch Ueber&#x017F;chwemmun-<lb/>
gen des Meeres Millionen die&#x017F;er Lebendigen ihr Grab finden<lb/>
und damit andern Organi&#x017F;ationen zum Stof dienen mußten.<lb/>
Auch konnte in jeder Periode die&#x017F;er auswirkenden La&#x0364;uterungen<lb/>
noch nicht jedes Lebendige jedes Elements leben; die Gattun-<lb/>
gen der Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe folgten einander, wie &#x017F;ie ihrer Natur und<lb/>
ihrem Medium nach wirklich werden konnten. Und &#x017F;iehe da,<lb/>
alles dies faßt un&#x017F;er Naturwei&#x017F;e in eine Stimme des Welt-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pfers zu&#x017F;ammen, die, wie &#x017F;ie das Licht hervorrief und da-<lb/>
mit der Luft &#x017F;ich zu la&#x0364;utern, dem Meer zu &#x017F;inken, der Erde<lb/>
allma&#x0364;lich hervorzugehen befahl, d. i. lauter wirk&#x017F;ame Kra&#x0364;fte<lb/>
des Naturkrei&#x017F;es in Bewegung &#x017F;etzte, &#x017F;o auch der Erde, den<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;ern, dem Staube befiehlt, <hi rendition="#fr">daß jedes der&#x017F;elben orga-<lb/>
ni&#x017F;che We&#x017F;en nach &#x017F;einer Art hervorbringe und &#x017F;ich die<lb/>
Scho&#x0364;pfung al&#x017F;o durch eigne die&#x017F;en Elementen einge-<lb/>
pflanzte organi&#x017F;che Kra&#x0364;fte &#x017F;elb&#x017F;t belebe.</hi> So &#x017F;pricht die-<lb/>
&#x017F;er Wei&#x017F;e und &#x017F;cheuet den Anblick der Natur nicht, den wir<lb/>
jetzt noch allenthalben gewahr werden, wo organi&#x017F;che Kra&#x0364;fte<lb/>
&#x017F;ich ihrem Element gema&#x0364;ß zum Leben ausarbeiten. Nur &#x017F;tel-<lb/>
let er, da doch abgetheilt werden mußte, die Reiche der Natur<lb/>
ge&#x017F;ondert gegen einander, wie der Naturku&#x0364;ndiger &#x017F;ie &#x017F;ondert,<lb/>
ob er wohl weiß, daß &#x017F;ie nicht abgeza&#x0364;unt von einander wirken.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[319/0331] getation durch neue Abſaͤtze der Luft und des Waſſers unter- gehen mußten. Das Meer wimmelte von Lebendigem, ſobald es dazu gelaͤutert gnug war, obgleich durch Ueberſchwemmun- gen des Meeres Millionen dieſer Lebendigen ihr Grab finden und damit andern Organiſationen zum Stof dienen mußten. Auch konnte in jeder Periode dieſer auswirkenden Laͤuterungen noch nicht jedes Lebendige jedes Elements leben; die Gattun- gen der Geſchoͤpfe folgten einander, wie ſie ihrer Natur und ihrem Medium nach wirklich werden konnten. Und ſiehe da, alles dies faßt unſer Naturweiſe in eine Stimme des Welt- ſchoͤpfers zuſammen, die, wie ſie das Licht hervorrief und da- mit der Luft ſich zu laͤutern, dem Meer zu ſinken, der Erde allmaͤlich hervorzugehen befahl, d. i. lauter wirkſame Kraͤfte des Naturkreiſes in Bewegung ſetzte, ſo auch der Erde, den Waſſern, dem Staube befiehlt, daß jedes derſelben orga- niſche Weſen nach ſeiner Art hervorbringe und ſich die Schoͤpfung alſo durch eigne dieſen Elementen einge- pflanzte organiſche Kraͤfte ſelbſt belebe. So ſpricht die- ſer Weiſe und ſcheuet den Anblick der Natur nicht, den wir jetzt noch allenthalben gewahr werden, wo organiſche Kraͤfte ſich ihrem Element gemaͤß zum Leben ausarbeiten. Nur ſtel- let er, da doch abgetheilt werden mußte, die Reiche der Natur geſondert gegen einander, wie der Naturkuͤndiger ſie ſondert, ob er wohl weiß, daß ſie nicht abgezaͤunt von einander wirken. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/331
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/331>, abgerufen am 22.11.2024.