Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

sich selbst gebildet d. i. aus dem schwangern Chaos, daraus
unsre Erde werden sollte, verdichtend niedergesetzt habe. Die
Mosaische Tradition schneidet aber auch dies Chaos ab und
schildert sogleich den Felsen; auch jene chaotischen Ungeheuer
und Wundergestalten der ältern Traditionen gehen damit in
den Abgrund. Das Eine, was dies philosophische Stück mit
jenen Sagen gemein hat, sind etwa die Elohim, vielleicht den
Lahen, den Zophesamim u. f. vergleichbar, hier aber zum Be-
grif einer wirkenden Einheit geläutert. Sie sind nicht Ge-
schöpfe; sondern der Schöpfer.

Die Schöpfung der Dinge fängt mit dem Licht an:
hiedurch trennet sich die alte Nacht, hiedurch scheiden
sich die Elemente;
und was kennten wir nach ältern und
neuern Erfahrungen für ein andres sowohl scheidendes als be-
lebendes Principium der Natur, als das Licht oder wenn man
will, das Elementarfeuer? Ueberall ists in die Natur verbrei-
tet; nur nach Verwandschaft der Körper ungleich vertheilet.
Jn beständiger Bewegung und Thätigkeit, durch sich selbst
flüßig und geschäftig, ists die Ursache aller Flüßigkeit, Wärme
und Bewegung. Selbst das elektrische Principium erscheinet
nur als eine Modification desselben; und da alles Leben der Na-
tur nur durch Wärme entwickelt wird und sich durch Bewegung
des Flüßigen äußert, da nicht nur der Same der Thiere durch

eine
R r 2

ſich ſelbſt gebildet d. i. aus dem ſchwangern Chaos, daraus
unſre Erde werden ſollte, verdichtend niedergeſetzt habe. Die
Moſaiſche Tradition ſchneidet aber auch dies Chaos ab und
ſchildert ſogleich den Felſen; auch jene chaotiſchen Ungeheuer
und Wundergeſtalten der aͤltern Traditionen gehen damit in
den Abgrund. Das Eine, was dies philoſophiſche Stuͤck mit
jenen Sagen gemein hat, ſind etwa die Elohim, vielleicht den
Lahen, den Zopheſamim u. f. vergleichbar, hier aber zum Be-
grif einer wirkenden Einheit gelaͤutert. Sie ſind nicht Ge-
ſchoͤpfe; ſondern der Schoͤpfer.

Die Schoͤpfung der Dinge faͤngt mit dem Licht an:
hiedurch trennet ſich die alte Nacht, hiedurch ſcheiden
ſich die Elemente;
und was kennten wir nach aͤltern und
neuern Erfahrungen fuͤr ein andres ſowohl ſcheidendes als be-
lebendes Principium der Natur, als das Licht oder wenn man
will, das Elementarfeuer? Ueberall iſts in die Natur verbrei-
tet; nur nach Verwandſchaft der Koͤrper ungleich vertheilet.
Jn beſtaͤndiger Bewegung und Thaͤtigkeit, durch ſich ſelbſt
fluͤßig und geſchaͤftig, iſts die Urſache aller Fluͤßigkeit, Waͤrme
und Bewegung. Selbſt das elektriſche Principium erſcheinet
nur als eine Modification deſſelben; und da alles Leben der Na-
tur nur durch Waͤrme entwickelt wird und ſich durch Bewegung
des Fluͤßigen aͤußert, da nicht nur der Same der Thiere durch

eine
R r 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0327" n="315"/>
&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t gebildet d. i. aus dem &#x017F;chwangern Chaos, daraus<lb/>
un&#x017F;re Erde werden &#x017F;ollte, verdichtend niederge&#x017F;etzt habe. Die<lb/>
Mo&#x017F;ai&#x017F;che Tradition &#x017F;chneidet aber auch dies Chaos ab und<lb/>
&#x017F;childert &#x017F;ogleich den Fel&#x017F;en; auch jene chaoti&#x017F;chen Ungeheuer<lb/>
und Wunderge&#x017F;talten der a&#x0364;ltern Traditionen gehen damit in<lb/>
den Abgrund. Das Eine, was dies philo&#x017F;ophi&#x017F;che Stu&#x0364;ck mit<lb/>
jenen Sagen gemein hat, &#x017F;ind etwa die Elohim, vielleicht den<lb/>
Lahen, den Zophe&#x017F;amim u. f. vergleichbar, hier aber zum Be-<lb/>
grif einer wirkenden Einheit gela&#x0364;utert. Sie &#x017F;ind nicht Ge-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pfe; &#x017F;ondern der Scho&#x0364;pfer.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Die Scho&#x0364;pfung der Dinge fa&#x0364;ngt mit dem Licht an:<lb/>
hiedurch trennet &#x017F;ich die alte Nacht, hiedurch &#x017F;cheiden<lb/>
&#x017F;ich die Elemente;</hi> und was kennten wir nach a&#x0364;ltern und<lb/>
neuern Erfahrungen fu&#x0364;r ein andres &#x017F;owohl &#x017F;cheidendes als be-<lb/>
lebendes Principium der Natur, als das Licht oder wenn man<lb/>
will, das Elementarfeuer? Ueberall i&#x017F;ts in die Natur verbrei-<lb/>
tet; nur nach Verwand&#x017F;chaft der Ko&#x0364;rper ungleich vertheilet.<lb/>
Jn be&#x017F;ta&#x0364;ndiger Bewegung und Tha&#x0364;tigkeit, durch &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
flu&#x0364;ßig und ge&#x017F;cha&#x0364;ftig, i&#x017F;ts die Ur&#x017F;ache aller Flu&#x0364;ßigkeit, Wa&#x0364;rme<lb/>
und Bewegung. Selb&#x017F;t das elektri&#x017F;che Principium er&#x017F;cheinet<lb/>
nur als eine Modification de&#x017F;&#x017F;elben; und da alles Leben der Na-<lb/>
tur nur durch Wa&#x0364;rme entwickelt wird und &#x017F;ich durch Bewegung<lb/>
des Flu&#x0364;ßigen a&#x0364;ußert, da nicht nur der Same der Thiere durch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R r 2</fw><fw place="bottom" type="catch">eine</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[315/0327] ſich ſelbſt gebildet d. i. aus dem ſchwangern Chaos, daraus unſre Erde werden ſollte, verdichtend niedergeſetzt habe. Die Moſaiſche Tradition ſchneidet aber auch dies Chaos ab und ſchildert ſogleich den Felſen; auch jene chaotiſchen Ungeheuer und Wundergeſtalten der aͤltern Traditionen gehen damit in den Abgrund. Das Eine, was dies philoſophiſche Stuͤck mit jenen Sagen gemein hat, ſind etwa die Elohim, vielleicht den Lahen, den Zopheſamim u. f. vergleichbar, hier aber zum Be- grif einer wirkenden Einheit gelaͤutert. Sie ſind nicht Ge- ſchoͤpfe; ſondern der Schoͤpfer. Die Schoͤpfung der Dinge faͤngt mit dem Licht an: hiedurch trennet ſich die alte Nacht, hiedurch ſcheiden ſich die Elemente; und was kennten wir nach aͤltern und neuern Erfahrungen fuͤr ein andres ſowohl ſcheidendes als be- lebendes Principium der Natur, als das Licht oder wenn man will, das Elementarfeuer? Ueberall iſts in die Natur verbrei- tet; nur nach Verwandſchaft der Koͤrper ungleich vertheilet. Jn beſtaͤndiger Bewegung und Thaͤtigkeit, durch ſich ſelbſt fluͤßig und geſchaͤftig, iſts die Urſache aller Fluͤßigkeit, Waͤrme und Bewegung. Selbſt das elektriſche Principium erſcheinet nur als eine Modification deſſelben; und da alles Leben der Na- tur nur durch Waͤrme entwickelt wird und ſich durch Bewegung des Fluͤßigen aͤußert, da nicht nur der Same der Thiere durch eine R r 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/327
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/327>, abgerufen am 22.11.2024.