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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

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Nicht nur, daß wie wir gesehen haben, dies Urgebürge der
Welt die meisten und zähmbarsten Thiere hatte; die Gesell-
schaft der Menschen hat dieselben auch so frühe gezähmet, daß
unsre nutzbarsten Thiergeschlechter, Schaaf, Hund und Ziege
gleichsam nur aus dieser Bezähmung entstanden und eigent-
lich also neue Thiergattungen der Asiatischen Kunst sind. Will
man sich in den Mittelpunkt der Vertheilung gezähmter Thiere
stellen, so trete man auf die Höhe von Asien; je entfernter von
ihm, (im Großen der Natur gerechnet), desto minder gezähmte
Thiere. Jn Asien bis auf seine Süd-Jnseln ist alles voll der-
selben; in Neuguinea und Neuseeland fand sich nur der Hund
und das Schwein, in Neukaledonien der Hund allein und in
dem ganzen weiten Amerika waren das Guaniko und Lacma
die einzigen gezähmten Thiere. Auch sind die besten Gattun-
gen derselben in Asien und Afrika von der schönsten, edelsten
Art. Der Dschiggetai und das Arabische Pferd, der wilde
und zahme Esel, der Argali und das Schaaf, der wilde Bock
und die Angora-Ziege sind der Stolz ihres Geschlechts: der
klügste Elephant ist in Asien von frühen Zeiten an aufs künst-
lichste gebrauchet und das Kameel war diesem Welttheil unent-
behrlich. Jn der Schönheit einiger dieser Thiere tritt Afrika
zunächst an Asiens Seite; im Gebrauch derselben aber stehets
ihm noch jetzt weit nach. Alle seine gezähmten Thiere hat
Europa Asien zu danken; was unserm Welttheil eigen

ist,
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Nicht nur, daß wie wir geſehen haben, dies Urgebuͤrge der
Welt die meiſten und zaͤhmbarſten Thiere hatte; die Geſell-
ſchaft der Menſchen hat dieſelben auch ſo fruͤhe gezaͤhmet, daß
unſre nutzbarſten Thiergeſchlechter, Schaaf, Hund und Ziege
gleichſam nur aus dieſer Bezaͤhmung entſtanden und eigent-
lich alſo neue Thiergattungen der Aſiatiſchen Kunſt ſind. Will
man ſich in den Mittelpunkt der Vertheilung gezaͤhmter Thiere
ſtellen, ſo trete man auf die Hoͤhe von Aſien; je entfernter von
ihm, (im Großen der Natur gerechnet), deſto minder gezaͤhmte
Thiere. Jn Aſien bis auf ſeine Suͤd-Jnſeln iſt alles voll der-
ſelben; in Neuguinea und Neuſeeland fand ſich nur der Hund
und das Schwein, in Neukaledonien der Hund allein und in
dem ganzen weiten Amerika waren das Guaniko und Lacma
die einzigen gezaͤhmten Thiere. Auch ſind die beſten Gattun-
gen derſelben in Aſien und Afrika von der ſchoͤnſten, edelſten
Art. Der Dſchiggetai und das Arabiſche Pferd, der wilde
und zahme Eſel, der Argali und das Schaaf, der wilde Bock
und die Angora-Ziege ſind der Stolz ihres Geſchlechts: der
kluͤgſte Elephant iſt in Aſien von fruͤhen Zeiten an aufs kuͤnſt-
lichſte gebrauchet und das Kameel war dieſem Welttheil unent-
behrlich. Jn der Schoͤnheit einiger dieſer Thiere tritt Afrika
zunaͤchſt an Aſiens Seite; im Gebrauch derſelben aber ſtehets
ihm noch jetzt weit nach. Alle ſeine gezaͤhmten Thiere hat
Europa Aſien zu danken; was unſerm Welttheil eigen

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[299/0311] Nicht nur, daß wie wir geſehen haben, dies Urgebuͤrge der Welt die meiſten und zaͤhmbarſten Thiere hatte; die Geſell- ſchaft der Menſchen hat dieſelben auch ſo fruͤhe gezaͤhmet, daß unſre nutzbarſten Thiergeſchlechter, Schaaf, Hund und Ziege gleichſam nur aus dieſer Bezaͤhmung entſtanden und eigent- lich alſo neue Thiergattungen der Aſiatiſchen Kunſt ſind. Will man ſich in den Mittelpunkt der Vertheilung gezaͤhmter Thiere ſtellen, ſo trete man auf die Hoͤhe von Aſien; je entfernter von ihm, (im Großen der Natur gerechnet), deſto minder gezaͤhmte Thiere. Jn Aſien bis auf ſeine Suͤd-Jnſeln iſt alles voll der- ſelben; in Neuguinea und Neuſeeland fand ſich nur der Hund und das Schwein, in Neukaledonien der Hund allein und in dem ganzen weiten Amerika waren das Guaniko und Lacma die einzigen gezaͤhmten Thiere. Auch ſind die beſten Gattun- gen derſelben in Aſien und Afrika von der ſchoͤnſten, edelſten Art. Der Dſchiggetai und das Arabiſche Pferd, der wilde und zahme Eſel, der Argali und das Schaaf, der wilde Bock und die Angora-Ziege ſind der Stolz ihres Geſchlechts: der kluͤgſte Elephant iſt in Aſien von fruͤhen Zeiten an aufs kuͤnſt- lichſte gebrauchet und das Kameel war dieſem Welttheil unent- behrlich. Jn der Schoͤnheit einiger dieſer Thiere tritt Afrika zunaͤchſt an Aſiens Seite; im Gebrauch derſelben aber ſtehets ihm noch jetzt weit nach. Alle ſeine gezaͤhmten Thiere hat Europa Aſien zu danken; was unſerm Welttheil eigen iſt, P p 2

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/311>, abgerufen am 25.11.2024.