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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

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so wie das Koptische Alphabet verdorben-griechisch ist. Unter
den Negern und Amerikanern ist an keine selbsterfundene Schrift
zu gedenken: denn unter diesen stiegen die Mexicaner über ihre
rohen Hieroglyphen und die Peruaner über ihre Knotenstricke
nicht auf. Asien dagegen hat die Schrift in Buchstaben und
Kunsthieroglyphen gleichsam erschöpfet, so daß man unter sei-
nen Schriftzügen beinah alle Gattungen findet, wie die Rede
der Menschen gefesselt werden konnte. Die Bengalische Sprache
hat 50 Buchstaben und 12 Vocale: die Sinesische hat aus
ihrem Walde von Zügen nicht minder als 112 zu Lautbuch-
staben und 36. zu Mitlautern erwählet. So geht es durch
die Tibetanische, Singalesische, Marattische, Mandschurische
Alphabete sogar mit verschiednen Richtungen der Zeichen. Ei-
nige der Asiatischen Schriftarten sind offenbar so alt, daß man
bemerkt, wie sich die Sprache selbst mit und zu ihnen gebildet
habe; und die einfach-schöne Schrift auf den Ruinen von Per-
sepolis verstehen wir noch gar nicht.

Treten wir von dem Werkzeuge der Cultur zur Cultur
selbst; wo wäre dieselbe früher entstanden, ja wo hätte sie frü-
her entstehen können, als in Asien? von da sie sich auf bekann-
ten Wegen weiter umhergebreitet. Die Herrschaft über die
Thiere war dazu einer der ersten Schritte und sie steigt in die-
sem Welttheil über alle Revolutionen der Geschichte hinauf.

Nicht

ſo wie das Koptiſche Alphabet verdorben-griechiſch iſt. Unter
den Negern und Amerikanern iſt an keine ſelbſterfundene Schrift
zu gedenken: denn unter dieſen ſtiegen die Mexicaner uͤber ihre
rohen Hieroglyphen und die Peruaner uͤber ihre Knotenſtricke
nicht auf. Aſien dagegen hat die Schrift in Buchſtaben und
Kunſthieroglyphen gleichſam erſchoͤpfet, ſo daß man unter ſei-
nen Schriftzuͤgen beinah alle Gattungen findet, wie die Rede
der Menſchen gefeſſelt werden konnte. Die Bengaliſche Sprache
hat 50 Buchſtaben und 12 Vocale: die Sineſiſche hat aus
ihrem Walde von Zuͤgen nicht minder als 112 zu Lautbuch-
ſtaben und 36. zu Mitlautern erwaͤhlet. So geht es durch
die Tibetaniſche, Singaleſiſche, Marattiſche, Mandſchuriſche
Alphabete ſogar mit verſchiednen Richtungen der Zeichen. Ei-
nige der Aſiatiſchen Schriftarten ſind offenbar ſo alt, daß man
bemerkt, wie ſich die Sprache ſelbſt mit und zu ihnen gebildet
habe; und die einfach-ſchoͤne Schrift auf den Ruinen von Per-
ſepolis verſtehen wir noch gar nicht.

Treten wir von dem Werkzeuge der Cultur zur Cultur
ſelbſt; wo waͤre dieſelbe fruͤher entſtanden, ja wo haͤtte ſie fruͤ-
her entſtehen koͤnnen, als in Aſien? von da ſie ſich auf bekann-
ten Wegen weiter umhergebreitet. Die Herrſchaft uͤber die
Thiere war dazu einer der erſten Schritte und ſie ſteigt in die-
ſem Welttheil uͤber alle Revolutionen der Geſchichte hinauf.

Nicht
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[298/0310] ſo wie das Koptiſche Alphabet verdorben-griechiſch iſt. Unter den Negern und Amerikanern iſt an keine ſelbſterfundene Schrift zu gedenken: denn unter dieſen ſtiegen die Mexicaner uͤber ihre rohen Hieroglyphen und die Peruaner uͤber ihre Knotenſtricke nicht auf. Aſien dagegen hat die Schrift in Buchſtaben und Kunſthieroglyphen gleichſam erſchoͤpfet, ſo daß man unter ſei- nen Schriftzuͤgen beinah alle Gattungen findet, wie die Rede der Menſchen gefeſſelt werden konnte. Die Bengaliſche Sprache hat 50 Buchſtaben und 12 Vocale: die Sineſiſche hat aus ihrem Walde von Zuͤgen nicht minder als 112 zu Lautbuch- ſtaben und 36. zu Mitlautern erwaͤhlet. So geht es durch die Tibetaniſche, Singaleſiſche, Marattiſche, Mandſchuriſche Alphabete ſogar mit verſchiednen Richtungen der Zeichen. Ei- nige der Aſiatiſchen Schriftarten ſind offenbar ſo alt, daß man bemerkt, wie ſich die Sprache ſelbſt mit und zu ihnen gebildet habe; und die einfach-ſchoͤne Schrift auf den Ruinen von Per- ſepolis verſtehen wir noch gar nicht. Treten wir von dem Werkzeuge der Cultur zur Cultur ſelbſt; wo waͤre dieſelbe fruͤher entſtanden, ja wo haͤtte ſie fruͤ- her entſtehen koͤnnen, als in Aſien? von da ſie ſich auf bekann- ten Wegen weiter umhergebreitet. Die Herrſchaft uͤber die Thiere war dazu einer der erſten Schritte und ſie ſteigt in die- ſem Welttheil uͤber alle Revolutionen der Geſchichte hinauf. Nicht

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/310>, abgerufen am 25.11.2024.