ner gesammten Völkerschaften mitgehöret, machen diesen Welt- theil schwerlich als den ältest-bewohnten kennbar. Vielmehr ist er gegen die andre Erdhälfte betrachtet, dem Naturforscher ein reiches Problem der Verschiedenheit zweier entgegenge- setzten Hemisphäre. Schwerlich also dörfte auch das schöne Thal Quito der Geburtsort eines ursprünglichen Menschen- paars gewesen seyn, so gern ich ihm und den Mondgebürgen Afrika's die Ehre gönne und niemanden widersprechen mag, der hiezu Beweisthümer fände.
Aber gnug der bloßen Muthmaaßungen, die ich nicht dazu gemißbraucht wünsche, daß man dem Allmächtigen die Kraft und den Stof, Menschen wo er will zu schaffen, abspräche. Die Stimme, die allenthalben Meer und Land mit eignen Be- wohnern bepflanzte, konnte auch jedem Welttheil seine einge- bohrnen Beherrscher geben, wenn sie es für gut fand. Ließe sich nicht aber in dem bisher entwickelten Charakter der Mensch- heit die Ursache finden, warum sie es nicht beliebte? Wir sa- hen, daß die Vernunft und Humanität der Menschen von Er- ziehung, Sprache und Tradition abhange und daß unser Ge- schlecht hierinn völlig vom Thier unterschieden sei, das seinen unfehlbaren Jnstinct auf die Welt mitbringt. Jst dies; so konnte schon seinem specifischen Charakter nach der Mensch nicht Thieren gleich überall in die wilde Wüste geworfen werden.
Der
ner geſammten Voͤlkerſchaften mitgehoͤret, machen dieſen Welt- theil ſchwerlich als den aͤlteſt-bewohnten kennbar. Vielmehr iſt er gegen die andre Erdhaͤlfte betrachtet, dem Naturforſcher ein reiches Problem der Verſchiedenheit zweier entgegenge- ſetzten Hemiſphaͤre. Schwerlich alſo doͤrfte auch das ſchoͤne Thal Quito der Geburtsort eines urſpruͤnglichen Menſchen- paars geweſen ſeyn, ſo gern ich ihm und den Mondgebuͤrgen Afrika's die Ehre goͤnne und niemanden widerſprechen mag, der hiezu Beweisthuͤmer faͤnde.
Aber gnug der bloßen Muthmaaßungen, die ich nicht dazu gemißbraucht wuͤnſche, daß man dem Allmaͤchtigen die Kraft und den Stof, Menſchen wo er will zu ſchaffen, abſpraͤche. Die Stimme, die allenthalben Meer und Land mit eignen Be- wohnern bepflanzte, konnte auch jedem Welttheil ſeine einge- bohrnen Beherrſcher geben, wenn ſie es fuͤr gut fand. Ließe ſich nicht aber in dem bisher entwickelten Charakter der Menſch- heit die Urſache finden, warum ſie es nicht beliebte? Wir ſa- hen, daß die Vernunft und Humanitaͤt der Menſchen von Er- ziehung, Sprache und Tradition abhange und daß unſer Ge- ſchlecht hierinn voͤllig vom Thier unterſchieden ſei, das ſeinen unfehlbaren Jnſtinct auf die Welt mitbringt. Jſt dies; ſo konnte ſchon ſeinem ſpecifiſchen Charakter nach der Menſch nicht Thieren gleich uͤberall in die wilde Wuͤſte geworfen werden.
Der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0304"n="292"/>
ner geſammten Voͤlkerſchaften mitgehoͤret, machen dieſen Welt-<lb/>
theil ſchwerlich als den aͤlteſt-bewohnten kennbar. Vielmehr<lb/>
iſt er gegen die andre Erdhaͤlfte betrachtet, dem Naturforſcher<lb/>
ein reiches Problem der Verſchiedenheit zweier entgegenge-<lb/>ſetzten Hemiſphaͤre. Schwerlich alſo doͤrfte auch das ſchoͤne<lb/>
Thal Quito der Geburtsort eines urſpruͤnglichen Menſchen-<lb/>
paars geweſen ſeyn, ſo gern ich ihm und den Mondgebuͤrgen<lb/>
Afrika's die Ehre goͤnne und niemanden widerſprechen mag,<lb/>
der hiezu Beweisthuͤmer faͤnde.</p><lb/><p>Aber gnug der bloßen Muthmaaßungen, die ich nicht dazu<lb/>
gemißbraucht wuͤnſche, daß man dem Allmaͤchtigen die Kraft<lb/>
und den Stof, Menſchen wo er will zu ſchaffen, abſpraͤche.<lb/>
Die Stimme, die allenthalben Meer und Land mit eignen Be-<lb/>
wohnern bepflanzte, konnte auch jedem Welttheil ſeine einge-<lb/>
bohrnen Beherrſcher geben, wenn ſie es fuͤr gut fand. Ließe<lb/>ſich nicht aber in dem bisher entwickelten Charakter der Menſch-<lb/>
heit die Urſache finden, warum ſie es nicht beliebte? Wir ſa-<lb/>
hen, daß die Vernunft und Humanitaͤt der Menſchen von Er-<lb/>
ziehung, Sprache und Tradition abhange und daß unſer Ge-<lb/>ſchlecht hierinn voͤllig vom Thier unterſchieden ſei, das ſeinen<lb/>
unfehlbaren Jnſtinct auf die Welt mitbringt. Jſt dies; ſo<lb/>
konnte ſchon ſeinem ſpecifiſchen Charakter nach der Menſch nicht<lb/>
Thieren gleich uͤberall in die wilde Wuͤſte geworfen werden.<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Der</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[292/0304]
ner geſammten Voͤlkerſchaften mitgehoͤret, machen dieſen Welt-
theil ſchwerlich als den aͤlteſt-bewohnten kennbar. Vielmehr
iſt er gegen die andre Erdhaͤlfte betrachtet, dem Naturforſcher
ein reiches Problem der Verſchiedenheit zweier entgegenge-
ſetzten Hemiſphaͤre. Schwerlich alſo doͤrfte auch das ſchoͤne
Thal Quito der Geburtsort eines urſpruͤnglichen Menſchen-
paars geweſen ſeyn, ſo gern ich ihm und den Mondgebuͤrgen
Afrika's die Ehre goͤnne und niemanden widerſprechen mag,
der hiezu Beweisthuͤmer faͤnde.
Aber gnug der bloßen Muthmaaßungen, die ich nicht dazu
gemißbraucht wuͤnſche, daß man dem Allmaͤchtigen die Kraft
und den Stof, Menſchen wo er will zu ſchaffen, abſpraͤche.
Die Stimme, die allenthalben Meer und Land mit eignen Be-
wohnern bepflanzte, konnte auch jedem Welttheil ſeine einge-
bohrnen Beherrſcher geben, wenn ſie es fuͤr gut fand. Ließe
ſich nicht aber in dem bisher entwickelten Charakter der Menſch-
heit die Urſache finden, warum ſie es nicht beliebte? Wir ſa-
hen, daß die Vernunft und Humanitaͤt der Menſchen von Er-
ziehung, Sprache und Tradition abhange und daß unſer Ge-
ſchlecht hierinn voͤllig vom Thier unterſchieden ſei, das ſeinen
unfehlbaren Jnſtinct auf die Welt mitbringt. Jſt dies; ſo
konnte ſchon ſeinem ſpecifiſchen Charakter nach der Menſch nicht
Thieren gleich uͤberall in die wilde Wuͤſte geworfen werden.
Der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/304>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.