Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

rische Stämme werden mit Zügen der Mongolischen Bil-
dung gebohren, die sie aber verwachsen; daher wahrschein-
lich einige Ursachen klimatisch seyn müssen, die mehr oder
minder durch Lebensart und Abstammung in den Gliederbau
des Volks eingepfropft und vererbt sind. Wenn Russen
oder Tataren sich mit den Mongolen mischen, sollen schöne
Kinder gebohren werden; so wie es denn auch unter ihnen
nur auf mongolische Weise, sehr zarte und proportionirte
Gestalten geben solla). Auch hier ist sich also die Natur in
ihrer Organisation treu geblieben: Nomadische Völker un-
ter diesem Himmel, auf diesem Erdstrich, bei solcher Lebens-
weise musten zu solchen leichten Raubgeiern werden.

Und weit umher erstrecken sich Züge ihrer Bildung:
denn wohin sind diese Raubvögel nicht geflogen? mehr als
einmal hat über einem Welttheil ihr siegender Zug geschwe-
bet. Jn vielen Ländern Asiens haben sich also Mongolen
niedergelassen und ihre Bildung durch die Züge andrer Völ-
ker veredelt. Ja früher als diese Kriegsüberschwemmungen,
waren jene uralten Wanderungen von diesem frühbewohnten
höchsten Rücken der Erde in viele umliegende Länder. Viel-

leicht
a) Pallas in den Sammlungen zur Gesch. der mongol. Völker-
schaften, Reisen Th. I. S. 304. II. u. f.

riſche Staͤmme werden mit Zuͤgen der Mongoliſchen Bil-
dung gebohren, die ſie aber verwachſen; daher wahrſchein-
lich einige Urſachen klimatiſch ſeyn muͤſſen, die mehr oder
minder durch Lebensart und Abſtammung in den Gliederbau
des Volks eingepfropft und vererbt ſind. Wenn Ruſſen
oder Tataren ſich mit den Mongolen miſchen, ſollen ſchoͤne
Kinder gebohren werden; ſo wie es denn auch unter ihnen
nur auf mongoliſche Weiſe, ſehr zarte und proportionirte
Geſtalten geben ſolla). Auch hier iſt ſich alſo die Natur in
ihrer Organiſation treu geblieben: Nomadiſche Voͤlker un-
ter dieſem Himmel, auf dieſem Erdſtrich, bei ſolcher Lebens-
weiſe muſten zu ſolchen leichten Raubgeiern werden.

Und weit umher erſtrecken ſich Zuͤge ihrer Bildung:
denn wohin ſind dieſe Raubvoͤgel nicht geflogen? mehr als
einmal hat uͤber einem Welttheil ihr ſiegender Zug geſchwe-
bet. Jn vielen Laͤndern Aſiens haben ſich alſo Mongolen
niedergelaſſen und ihre Bildung durch die Zuͤge andrer Voͤl-
ker veredelt. Ja fruͤher als dieſe Kriegsuͤberſchwemmungen,
waren jene uralten Wanderungen von dieſem fruͤhbewohnten
hoͤchſten Ruͤcken der Erde in viele umliegende Laͤnder. Viel-

leicht
a) Pallas in den Sammlungen zur Geſch. der mongol. Voͤlker-
ſchaften, Reiſen Th. I. S. 304. II. u. f.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0030" n="18"/>
ri&#x017F;che Sta&#x0364;mme werden mit Zu&#x0364;gen der Mongoli&#x017F;chen Bil-<lb/>
dung gebohren, die &#x017F;ie aber verwach&#x017F;en; daher wahr&#x017F;chein-<lb/>
lich einige Ur&#x017F;achen klimati&#x017F;ch &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, die mehr oder<lb/>
minder durch Lebensart und Ab&#x017F;tammung in den Gliederbau<lb/>
des Volks eingepfropft und vererbt &#x017F;ind. Wenn Ru&#x017F;&#x017F;en<lb/>
oder Tataren &#x017F;ich mit den Mongolen mi&#x017F;chen, &#x017F;ollen &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
Kinder gebohren werden; &#x017F;o wie es denn auch unter ihnen<lb/>
nur auf mongoli&#x017F;che Wei&#x017F;e, &#x017F;ehr zarte und proportionirte<lb/>
Ge&#x017F;talten geben &#x017F;oll<note place="foot" n="a)"><hi rendition="#fr">Pallas</hi> in den Sammlungen zur Ge&#x017F;ch. der mongol. Vo&#x0364;lker-<lb/>
&#x017F;chaften, Rei&#x017F;en Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 304. <hi rendition="#aq">II.</hi> u. f.</note>. Auch hier i&#x017F;t &#x017F;ich al&#x017F;o die Natur in<lb/>
ihrer Organi&#x017F;ation treu geblieben: Nomadi&#x017F;che Vo&#x0364;lker un-<lb/>
ter die&#x017F;em Himmel, auf die&#x017F;em Erd&#x017F;trich, bei &#x017F;olcher Lebens-<lb/>
wei&#x017F;e mu&#x017F;ten zu &#x017F;olchen leichten Raubgeiern werden.</p><lb/>
          <p>Und weit umher er&#x017F;trecken &#x017F;ich Zu&#x0364;ge ihrer Bildung:<lb/>
denn wohin &#x017F;ind die&#x017F;e Raubvo&#x0364;gel nicht geflogen? mehr als<lb/>
einmal hat u&#x0364;ber einem Welttheil ihr &#x017F;iegender Zug ge&#x017F;chwe-<lb/>
bet. Jn vielen La&#x0364;ndern A&#x017F;iens haben &#x017F;ich al&#x017F;o Mongolen<lb/>
niedergela&#x017F;&#x017F;en und ihre Bildung durch die Zu&#x0364;ge andrer Vo&#x0364;l-<lb/>
ker veredelt. Ja fru&#x0364;her als die&#x017F;e Kriegsu&#x0364;ber&#x017F;chwemmungen,<lb/>
waren jene uralten Wanderungen von die&#x017F;em fru&#x0364;hbewohnten<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;ten Ru&#x0364;cken der Erde in viele umliegende La&#x0364;nder. Viel-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">leicht</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0030] riſche Staͤmme werden mit Zuͤgen der Mongoliſchen Bil- dung gebohren, die ſie aber verwachſen; daher wahrſchein- lich einige Urſachen klimatiſch ſeyn muͤſſen, die mehr oder minder durch Lebensart und Abſtammung in den Gliederbau des Volks eingepfropft und vererbt ſind. Wenn Ruſſen oder Tataren ſich mit den Mongolen miſchen, ſollen ſchoͤne Kinder gebohren werden; ſo wie es denn auch unter ihnen nur auf mongoliſche Weiſe, ſehr zarte und proportionirte Geſtalten geben ſoll a). Auch hier iſt ſich alſo die Natur in ihrer Organiſation treu geblieben: Nomadiſche Voͤlker un- ter dieſem Himmel, auf dieſem Erdſtrich, bei ſolcher Lebens- weiſe muſten zu ſolchen leichten Raubgeiern werden. Und weit umher erſtrecken ſich Zuͤge ihrer Bildung: denn wohin ſind dieſe Raubvoͤgel nicht geflogen? mehr als einmal hat uͤber einem Welttheil ihr ſiegender Zug geſchwe- bet. Jn vielen Laͤndern Aſiens haben ſich alſo Mongolen niedergelaſſen und ihre Bildung durch die Zuͤge andrer Voͤl- ker veredelt. Ja fruͤher als dieſe Kriegsuͤberſchwemmungen, waren jene uralten Wanderungen von dieſem fruͤhbewohnten hoͤchſten Ruͤcken der Erde in viele umliegende Laͤnder. Viel- leicht a) Pallas in den Sammlungen zur Geſch. der mongol. Voͤlker- ſchaften, Reiſen Th. I. S. 304. II. u. f.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/30
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/30>, abgerufen am 22.12.2024.