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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

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und sich hie und da bis auf die Haut erhalten haben, zwar
Schlangen, Seethiere u. dgl. nie aber Menschenkörper gefun-
den. Ja wenn sie auch gefunden wären, sind sie ohnstreitig
von einem sehr neuern Datum gegen die alten Gebürge, in
denen nichts von dieser Art Lebendigem vorkommt. So
spricht das älteste Buch der Erde mit seinen Thon- Schiefer-
Marmor- Kalk- und Sandblättern; und was spräche es hie-
mit für eine Umschaffung der Erde, die ein Menschengeschlecht
überlebt hätte, dessen Reste wir wären? Vielmehr ist alles,
was sie redet, dafür, daß unsre Erde aus ihrem Chaos von
Materien und Kräften unter der belebenden Wärme des schaf-
fenden Geistes sich zu einem eignen, und ursprünglichen Gan-
zen durch eine Reihe zubereitender Revolutionen gebildet habe,
bis auch zuletzt die Krone ihrer Schöpfung, das feine und zarte
Menschengeschöpf, erscheinen konnte. Die Systeme also, die
von zehnfacher Veränderung der Weltgegenden und Pole, von
hundertfältiger Umstürzung eines bewohnten und cultivirten
Bodens, von Vertreibungen der Menschen aus Gegend in
Gegend oder von ihren Grabmälern unter Felsen und Mee-
ren reden und in der ganzen ältesten Geschichte nur Graus
und Entsetzen schildern, sie sind, Trotz aller unläugbaren Revo-
lutionen der Erde, dem Bau derselben entgegen oder von ihm
wenigstens unbegründet. Die Risse und Gänge im alten
Gestein oder seine zusammengefallenen Wände sagen nichts

von
N n 2

und ſich hie und da bis auf die Haut erhalten haben, zwar
Schlangen, Seethiere u. dgl. nie aber Menſchenkoͤrper gefun-
den. Ja wenn ſie auch gefunden waͤren, ſind ſie ohnſtreitig
von einem ſehr neuern Datum gegen die alten Gebuͤrge, in
denen nichts von dieſer Art Lebendigem vorkommt. So
ſpricht das aͤlteſte Buch der Erde mit ſeinen Thon- Schiefer-
Marmor- Kalk- und Sandblaͤttern; und was ſpraͤche es hie-
mit fuͤr eine Umſchaffung der Erde, die ein Menſchengeſchlecht
uͤberlebt haͤtte, deſſen Reſte wir waͤren? Vielmehr iſt alles,
was ſie redet, dafuͤr, daß unſre Erde aus ihrem Chaos von
Materien und Kraͤften unter der belebenden Waͤrme des ſchaf-
fenden Geiſtes ſich zu einem eignen, und urſpruͤnglichen Gan-
zen durch eine Reihe zubereitender Revolutionen gebildet habe,
bis auch zuletzt die Krone ihrer Schoͤpfung, das feine und zarte
Menſchengeſchoͤpf, erſcheinen konnte. Die Syſteme alſo, die
von zehnfacher Veraͤnderung der Weltgegenden und Pole, von
hundertfaͤltiger Umſtuͤrzung eines bewohnten und cultivirten
Bodens, von Vertreibungen der Menſchen aus Gegend in
Gegend oder von ihren Grabmaͤlern unter Felſen und Mee-
ren reden und in der ganzen aͤlteſten Geſchichte nur Graus
und Entſetzen ſchildern, ſie ſind, Trotz aller unlaͤugbaren Revo-
lutionen der Erde, dem Bau derſelben entgegen oder von ihm
wenigſtens unbegruͤndet. Die Riſſe und Gaͤnge im alten
Geſtein oder ſeine zuſammengefallenen Waͤnde ſagen nichts

von
N n 2
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[283/0295] und ſich hie und da bis auf die Haut erhalten haben, zwar Schlangen, Seethiere u. dgl. nie aber Menſchenkoͤrper gefun- den. Ja wenn ſie auch gefunden waͤren, ſind ſie ohnſtreitig von einem ſehr neuern Datum gegen die alten Gebuͤrge, in denen nichts von dieſer Art Lebendigem vorkommt. So ſpricht das aͤlteſte Buch der Erde mit ſeinen Thon- Schiefer- Marmor- Kalk- und Sandblaͤttern; und was ſpraͤche es hie- mit fuͤr eine Umſchaffung der Erde, die ein Menſchengeſchlecht uͤberlebt haͤtte, deſſen Reſte wir waͤren? Vielmehr iſt alles, was ſie redet, dafuͤr, daß unſre Erde aus ihrem Chaos von Materien und Kraͤften unter der belebenden Waͤrme des ſchaf- fenden Geiſtes ſich zu einem eignen, und urſpruͤnglichen Gan- zen durch eine Reihe zubereitender Revolutionen gebildet habe, bis auch zuletzt die Krone ihrer Schoͤpfung, das feine und zarte Menſchengeſchoͤpf, erſcheinen konnte. Die Syſteme alſo, die von zehnfacher Veraͤnderung der Weltgegenden und Pole, von hundertfaͤltiger Umſtuͤrzung eines bewohnten und cultivirten Bodens, von Vertreibungen der Menſchen aus Gegend in Gegend oder von ihren Grabmaͤlern unter Felſen und Mee- ren reden und in der ganzen aͤlteſten Geſchichte nur Graus und Entſetzen ſchildern, ſie ſind, Trotz aller unlaͤugbaren Revo- lutionen der Erde, dem Bau derſelben entgegen oder von ihm wenigſtens unbegruͤndet. Die Riſſe und Gaͤnge im alten Geſtein oder ſeine zuſammengefallenen Waͤnde ſagen nichts von N n 2

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/295>, abgerufen am 24.11.2024.