zähmbaren Thiere zu bezähmen, die nutzbaren sich nutzbar zu machen und überhaupt alles in der Natur für sich zu erobern: denn bei jeder dieser Zueignungen that er eigentlich nichts, als das Merkmal eines zähmbaren, nützlichen, sich zuzueignenden Wesens bemerken und es durch Sprache oder Probe bezeich- nen. Am sanften Schaaf z. E. bemerkte er die Milch, die das Lamm sog, die Wolle, die seine Hand wärmte und suchte das Eine wie das Andre sich zuzueignen. Am Baum, zu dessen Früchten ihn der Hunger führte, bemerkte er Blätter, mit de- nen er sich gürten könnte, Holz das ihn wärmte u. f. So schwung er sich aufs Roß, daß es ihn trage: er hielt es bei sich, daß es ihn abermals trage: er sahe den Thieren, er sahe der Natur ab, wie jene sich schützten und nährten, wie diese ihre Kinder erzog oder vor der Gefahr bewahrte. So kam er auf den Weg aller Künste durch nichts als die innere Genesis ei- nes abgesonderten Merkmals und durch Festhaltung desselben in einer That oder sonst einem Zeichen; kurz durch Sprache. Durch sie und durch sie allein ward Wahrnehmung, Aner- kennung, Zurückerinnerung, Besitznehmung, eine Kette der Gedanken möglich und so wurden mit der Zeit die Wissen- schaften und Künste gebohren, Töchter der bezeichnenden Ver- nunft und einer Nachahmung mit Absicht.
Schon Baco hat eine Erfindungskunst gewünscht: da die Theorie derselben aber schwer und doch vielleicht unnütz
seyn
Jdeen,II.Th. H h
zaͤhmbaren Thiere zu bezaͤhmen, die nutzbaren ſich nutzbar zu machen und uͤberhaupt alles in der Natur fuͤr ſich zu erobern: denn bei jeder dieſer Zueignungen that er eigentlich nichts, als das Merkmal eines zaͤhmbaren, nuͤtzlichen, ſich zuzueignenden Weſens bemerken und es durch Sprache oder Probe bezeich- nen. Am ſanften Schaaf z. E. bemerkte er die Milch, die das Lamm ſog, die Wolle, die ſeine Hand waͤrmte und ſuchte das Eine wie das Andre ſich zuzueignen. Am Baum, zu deſſen Fruͤchten ihn der Hunger fuͤhrte, bemerkte er Blaͤtter, mit de- nen er ſich guͤrten koͤnnte, Holz das ihn waͤrmte u. f. So ſchwung er ſich aufs Roß, daß es ihn trage: er hielt es bei ſich, daß es ihn abermals trage: er ſahe den Thieren, er ſahe der Natur ab, wie jene ſich ſchuͤtzten und naͤhrten, wie dieſe ihre Kinder erzog oder vor der Gefahr bewahrte. So kam er auf den Weg aller Kuͤnſte durch nichts als die innere Geneſis ei- nes abgeſonderten Merkmals und durch Feſthaltung deſſelben in einer That oder ſonſt einem Zeichen; kurz durch Sprache. Durch ſie und durch ſie allein ward Wahrnehmung, Aner- kennung, Zuruͤckerinnerung, Beſitznehmung, eine Kette der Gedanken moͤglich und ſo wurden mit der Zeit die Wiſſen- ſchaften und Kuͤnſte gebohren, Toͤchter der bezeichnenden Ver- nunft und einer Nachahmung mit Abſicht.
Schon Baco hat eine Erfindungskunſt gewuͤnſcht: da die Theorie derſelben aber ſchwer und doch vielleicht unnuͤtz
ſeyn
Jdeen,II.Th. H h
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zaͤhmbaren Thiere zu bezaͤhmen, die nutzbaren ſich nutzbar zu
machen und uͤberhaupt alles in der Natur fuͤr ſich zu erobern:
denn bei jeder dieſer Zueignungen that er eigentlich nichts, als
das Merkmal eines zaͤhmbaren, nuͤtzlichen, ſich zuzueignenden
Weſens bemerken und es durch Sprache oder Probe bezeich-
nen. Am ſanften Schaaf z. E. bemerkte er die Milch, die das
Lamm ſog, die Wolle, die ſeine Hand waͤrmte und ſuchte das
Eine wie das Andre ſich zuzueignen. Am Baum, zu deſſen
Fruͤchten ihn der Hunger fuͤhrte, bemerkte er Blaͤtter, mit de-
nen er ſich guͤrten koͤnnte, Holz das ihn waͤrmte u. f. So
ſchwung er ſich aufs Roß, daß es ihn trage: er hielt es bei ſich,
daß es ihn abermals trage: er ſahe den Thieren, er ſahe der
Natur ab, wie jene ſich ſchuͤtzten und naͤhrten, wie dieſe ihre
Kinder erzog oder vor der Gefahr bewahrte. So kam er auf
den Weg aller Kuͤnſte durch nichts als die innere Geneſis ei-
nes abgeſonderten Merkmals und durch Feſthaltung deſſelben
in einer That oder ſonſt einem Zeichen; kurz durch Sprache.
Durch ſie und durch ſie allein ward Wahrnehmung, Aner-
kennung, Zuruͤckerinnerung, Beſitznehmung, eine Kette der
Gedanken moͤglich und ſo wurden mit der Zeit die Wiſſen-
ſchaften und Kuͤnſte gebohren, Toͤchter der bezeichnenden Ver-
nunft und einer Nachahmung mit Abſicht.
Schon Baco hat eine Erfindungskunſt gewuͤnſcht: da
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/253>, abgerufen am 24.11.2024.
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