die Menschheit, wo ein entkräftender Müßiggang, eine üppige Trägheit die Körper lebendig begräbt und sie zu blaßen Lei- chen oder zu Lasten die sich selbst beschweren, umbildet; in an- dern und gerade in den härtesten Lebensarten und Ländern blü- het der kräftigste Wuchs, die gesundeste, schönste Symmetrie menschlicher Glieder. Gehet die Geschichte der Nationen durch und leset, was Pages z. E. von der Bildung der Cha- kla's, der Tega's, vom Charakter der Bissayen, der Jndier, der Araber sageta); selbst das drückendste Klima macht wenig Unterschied in der Dauer des Menschenlebens und eben der Mangel ists, der die fröhlichen Armen zur Gesundheitbringen- den Arbeit stärket. Auch die Misbildungen des Leibes, die sich hie oder da auf der Erde als genetischer Charakter oder als ererbte Sitte finden, schaden der Gesundheit weniger, als un- ser künstliche Putz, unsre hundert angestrengte, unnatürliche Lebensweisen: denn was will ein größerer Ohrlappe der Arra- kaner, ein ausgerupfter Bart der Ost- und Westindier oder etwa eine durchborte Nase zu der eingedruckten, gequälten Brust, zum vorsinkenden Knie und mißgebildeten Fuß, zu den verwachsnen oder rachitischen Gestalten und den zusammenge- preßten Eingeweiden so vieler seinen Europäer und Europäe- rinnen sagen? Lasset uns also die Vorsehung preisen, daß da
Ge-
a)Voyages de Pages p. 17. 18. 26. 52. 54. 140. 141. 156. 167. 188. u. f.
die Menſchheit, wo ein entkraͤftender Muͤßiggang, eine uͤppige Traͤgheit die Koͤrper lebendig begraͤbt und ſie zu blaßen Lei- chen oder zu Laſten die ſich ſelbſt beſchweren, umbildet; in an- dern und gerade in den haͤrteſten Lebensarten und Laͤndern bluͤ- het der kraͤftigſte Wuchs, die geſundeſte, ſchoͤnſte Symmetrie menſchlicher Glieder. Gehet die Geſchichte der Nationen durch und leſet, was Pagès z. E. von der Bildung der Cha- kla's, der Tega's, vom Charakter der Biſſayen, der Jndier, der Araber ſageta); ſelbſt das druͤckendſte Klima macht wenig Unterſchied in der Dauer des Menſchenlebens und eben der Mangel iſts, der die froͤhlichen Armen zur Geſundheitbringen- den Arbeit ſtaͤrket. Auch die Misbildungen des Leibes, die ſich hie oder da auf der Erde als genetiſcher Charakter oder als ererbte Sitte finden, ſchaden der Geſundheit weniger, als un- ſer kuͤnſtliche Putz, unſre hundert angeſtrengte, unnatuͤrliche Lebensweiſen: denn was will ein groͤßerer Ohrlappe der Arra- kaner, ein ausgerupfter Bart der Oſt- und Weſtindier oder etwa eine durchborte Naſe zu der eingedruckten, gequaͤlten Bruſt, zum vorſinkenden Knie und mißgebildeten Fuß, zu den verwachsnen oder rachitiſchen Geſtalten und den zuſammenge- preßten Eingeweiden ſo vieler ſeinen Europaͤer und Europaͤe- rinnen ſagen? Laſſet uns alſo die Vorſehung preiſen, daß da
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a)Voyages de Pagès p. 17. 18. 26. 52. 54. 140. 141. 156. 167. 188. u. f.
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die Menſchheit, wo ein entkraͤftender Muͤßiggang, eine uͤppige
Traͤgheit die Koͤrper lebendig begraͤbt und ſie zu blaßen Lei-
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dern und gerade in den haͤrteſten Lebensarten und Laͤndern bluͤ-
het der kraͤftigſte Wuchs, die geſundeſte, ſchoͤnſte Symmetrie
menſchlicher Glieder. Gehet die Geſchichte der Nationen
durch und leſet, was Pagès z. E. von der Bildung der Cha-
kla's, der Tega's, vom Charakter der Biſſayen, der Jndier,
der Araber ſaget a); ſelbſt das druͤckendſte Klima macht wenig
Unterſchied in der Dauer des Menſchenlebens und eben der
Mangel iſts, der die froͤhlichen Armen zur Geſundheitbringen-
den Arbeit ſtaͤrket. Auch die Misbildungen des Leibes, die
ſich hie oder da auf der Erde als genetiſcher Charakter oder als
ererbte Sitte finden, ſchaden der Geſundheit weniger, als un-
ſer kuͤnſtliche Putz, unſre hundert angeſtrengte, unnatuͤrliche
Lebensweiſen: denn was will ein groͤßerer Ohrlappe der Arra-
kaner, ein ausgerupfter Bart der Oſt- und Weſtindier oder
etwa eine durchborte Naſe zu der eingedruckten, gequaͤlten
Bruſt, zum vorſinkenden Knie und mißgebildeten Fuß, zu den
verwachsnen oder rachitiſchen Geſtalten und den zuſammenge-
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rinnen ſagen? Laſſet uns alſo die Vorſehung preiſen, daß da
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a) Voyages de Pagès p. 17. 18. 26. 52. 54. 140. 141. 156. 167.
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/208>, abgerufen am 28.11.2024.
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