Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

war, daß sie seinen Körper etwas zusammendrückte und den
Umlauf seines Bluts gleichsam verengte. Der Grönländer
bleibt meistens unter fünf Fuß und die Eskimo's, seine Brü-
der, werden kleiner, je weiter nach Norden sie wohnena).
Da aber die Lebenskraft von innen herauswirkt: so ersetzte
sie ihm an warmer und zäher Dichtigkeit, was sie ihm an
emporstrebender Länge nicht geben konnte. Sein Kopf ward
in Verhältniß des Körpers groß, das Gesicht breit und platt,
weil die Natur, die nur in der Mäßigung und Mitte zwi-
schen zwei Extremen schön wirket, hier noch kein sanftes Oval
ründen und insonderheit die Zierde des Gesichts und wenn ich
so sagen darf den Balken der Waage, die Nase, noch nicht
hervortreten lassen konnte. Da die Backen die größere Brei-
te des Gesichts einnahmen, so ward der Mund klein und
rund: die Haare blieben sträubig, weil weiche und seidene
Haare zu bilden, es an feinem, emporgetriebenen Saft fehl-
te: das Auge blieb unbeseelt. Gleichergestalt formten sich
starke Schultern und breite Glieder, der Leib ward blutreich
und fleischig; nur Hände und Füße blieben klein und zart,
gleichsam die Sprossen und äußersten Theile der Bildung.
Wie die äußere Gestalt, so verhält sich auch von innen die

Reiz
a) S. Cranz, Ellis, Egede, Roger Curtis Nachricht von der
Küste Labrador u. f.

war, daß ſie ſeinen Koͤrper etwas zuſammendruͤckte und den
Umlauf ſeines Bluts gleichſam verengte. Der Groͤnlaͤnder
bleibt meiſtens unter fuͤnf Fuß und die Eskimo's, ſeine Bruͤ-
der, werden kleiner, je weiter nach Norden ſie wohnena).
Da aber die Lebenskraft von innen herauswirkt: ſo erſetzte
ſie ihm an warmer und zaͤher Dichtigkeit, was ſie ihm an
emporſtrebender Laͤnge nicht geben konnte. Sein Kopf ward
in Verhaͤltniß des Koͤrpers groß, das Geſicht breit und platt,
weil die Natur, die nur in der Maͤßigung und Mitte zwi-
ſchen zwei Extremen ſchoͤn wirket, hier noch kein ſanftes Oval
ruͤnden und inſonderheit die Zierde des Geſichts und wenn ich
ſo ſagen darf den Balken der Waage, die Naſe, noch nicht
hervortreten laſſen konnte. Da die Backen die groͤßere Brei-
te des Geſichts einnahmen, ſo ward der Mund klein und
rund: die Haare blieben ſtraͤubig, weil weiche und ſeidene
Haare zu bilden, es an feinem, emporgetriebenen Saft fehl-
te: das Auge blieb unbeſeelt. Gleichergeſtalt formten ſich
ſtarke Schultern und breite Glieder, der Leib ward blutreich
und fleiſchig; nur Haͤnde und Fuͤße blieben klein und zart,
gleichſam die Sproſſen und aͤußerſten Theile der Bildung.
Wie die aͤußere Geſtalt, ſo verhaͤlt ſich auch von innen die

Reiz
a) S. Cranz, Ellis, Egede, Roger Curtis Nachricht von der
Kuͤſte Labrador u. f.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0018" n="6"/>
war, daß &#x017F;ie &#x017F;einen Ko&#x0364;rper etwas zu&#x017F;ammendru&#x0364;ckte und den<lb/>
Umlauf &#x017F;eines Bluts gleich&#x017F;am verengte. Der Gro&#x0364;nla&#x0364;nder<lb/>
bleibt mei&#x017F;tens unter fu&#x0364;nf Fuß und die Eskimo's, &#x017F;eine Bru&#x0364;-<lb/>
der, werden kleiner, je weiter nach Norden &#x017F;ie wohnen<note place="foot" n="a)">S. <hi rendition="#fr">Cranz, Ellis, Egede, Roger Curtis</hi> Nachricht von der<lb/>
Ku&#x0364;&#x017F;te Labrador u. f.</note>.<lb/>
Da aber die Lebenskraft von innen herauswirkt: &#x017F;o er&#x017F;etzte<lb/>
&#x017F;ie ihm an warmer und za&#x0364;her Dichtigkeit, was &#x017F;ie ihm an<lb/>
empor&#x017F;trebender La&#x0364;nge nicht geben konnte. Sein Kopf ward<lb/>
in Verha&#x0364;ltniß des Ko&#x0364;rpers groß, das Ge&#x017F;icht breit und platt,<lb/>
weil die Natur, die nur in der Ma&#x0364;ßigung und Mitte zwi-<lb/>
&#x017F;chen zwei Extremen &#x017F;cho&#x0364;n wirket, hier noch kein &#x017F;anftes Oval<lb/>
ru&#x0364;nden und in&#x017F;onderheit die Zierde des Ge&#x017F;ichts und wenn ich<lb/>
&#x017F;o &#x017F;agen darf den Balken der Waage, die Na&#x017F;e, noch nicht<lb/>
hervortreten la&#x017F;&#x017F;en konnte. Da die Backen die gro&#x0364;ßere Brei-<lb/>
te des Ge&#x017F;ichts einnahmen, &#x017F;o ward der Mund klein und<lb/>
rund: die Haare blieben &#x017F;tra&#x0364;ubig, weil weiche und &#x017F;eidene<lb/>
Haare zu bilden, es an feinem, emporgetriebenen Saft fehl-<lb/>
te: das Auge blieb unbe&#x017F;eelt. Gleicherge&#x017F;talt formten &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;tarke Schultern und breite Glieder, der Leib ward blutreich<lb/>
und flei&#x017F;chig; nur Ha&#x0364;nde und Fu&#x0364;ße blieben klein und zart,<lb/>
gleich&#x017F;am die Spro&#x017F;&#x017F;en und a&#x0364;ußer&#x017F;ten Theile der Bildung.<lb/>
Wie die a&#x0364;ußere Ge&#x017F;talt, &#x017F;o verha&#x0364;lt &#x017F;ich auch von innen die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Reiz</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0018] war, daß ſie ſeinen Koͤrper etwas zuſammendruͤckte und den Umlauf ſeines Bluts gleichſam verengte. Der Groͤnlaͤnder bleibt meiſtens unter fuͤnf Fuß und die Eskimo's, ſeine Bruͤ- der, werden kleiner, je weiter nach Norden ſie wohnen a). Da aber die Lebenskraft von innen herauswirkt: ſo erſetzte ſie ihm an warmer und zaͤher Dichtigkeit, was ſie ihm an emporſtrebender Laͤnge nicht geben konnte. Sein Kopf ward in Verhaͤltniß des Koͤrpers groß, das Geſicht breit und platt, weil die Natur, die nur in der Maͤßigung und Mitte zwi- ſchen zwei Extremen ſchoͤn wirket, hier noch kein ſanftes Oval ruͤnden und inſonderheit die Zierde des Geſichts und wenn ich ſo ſagen darf den Balken der Waage, die Naſe, noch nicht hervortreten laſſen konnte. Da die Backen die groͤßere Brei- te des Geſichts einnahmen, ſo ward der Mund klein und rund: die Haare blieben ſtraͤubig, weil weiche und ſeidene Haare zu bilden, es an feinem, emporgetriebenen Saft fehl- te: das Auge blieb unbeſeelt. Gleichergeſtalt formten ſich ſtarke Schultern und breite Glieder, der Leib ward blutreich und fleiſchig; nur Haͤnde und Fuͤße blieben klein und zart, gleichſam die Sproſſen und aͤußerſten Theile der Bildung. Wie die aͤußere Geſtalt, ſo verhaͤlt ſich auch von innen die Reiz a) S. Cranz, Ellis, Egede, Roger Curtis Nachricht von der Kuͤſte Labrador u. f.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/18
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/18>, abgerufen am 22.12.2024.