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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

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weder den Kiki noch Pagi, weder den Tapir noch Ai zum nütz-
lichen Hausthier umbilden können.

Jn der alten Welt dagegen wie viel sind der bezähmten
Thiere! und wie viel sind sie dem thätigen Verstande des Men-
schengeschlechts worden! Ohne Kameel und Pferd wäre die
Arabische und Afrikanische Wüste unzugangbar; das Schaaf
und die Ziege haben der häuslichen Verfassung der Menschen,
das Rind und der Esel dem Ackerbau und Handel der Völker
aufgeholfen. Jm einfachen Zustande lebte das Menschenge-
schöpf freundlich und gesellig mit diesen Thieren: schonend
ging es mit ihnen um und erkannte, was es ihnen zu danken
habe. So lebt der Araber und Mogole mit seinem Roß, der
Hirt mit seinem Schaaf, der Jäger mit seinem Hunde, der
Peruaner mit seinem Llacmaa). Bei einer menschlichen Be-
handlung gedeihen auch, wie allgemein bekannt ist, alle Hülfs-
geschöpfe der menschlichen Lebensweise besser: sie lernen den
Menschen verstehn und ihn lieben: es entwickeln sich bei ih-
nen Fähigkeiten und Neigungen, von denen weder das wilde
noch das von Menschen unterdrückte Thier weiß, das in fei-

ster
a) Man lese z. B. in Ulloa (Nachr. von Amerika Th. 1. S. 131.)
die kindische Freude, mit der der Peruaner eine Llacma zu seinem
Dienst weihet. Die Lebensarten der andern Völker mit ihren Thie-
ren sind aus Reisebeschreibungen gnugsam bekannt.

weder den Kiki noch Pagi, weder den Tapir noch Ai zum nuͤtz-
lichen Hausthier umbilden koͤnnen.

Jn der alten Welt dagegen wie viel ſind der bezaͤhmten
Thiere! und wie viel ſind ſie dem thaͤtigen Verſtande des Men-
ſchengeſchlechts worden! Ohne Kameel und Pferd waͤre die
Arabiſche und Afrikaniſche Wuͤſte unzugangbar; das Schaaf
und die Ziege haben der haͤuslichen Verfaſſung der Menſchen,
das Rind und der Eſel dem Ackerbau und Handel der Voͤlker
aufgeholfen. Jm einfachen Zuſtande lebte das Menſchenge-
ſchoͤpf freundlich und geſellig mit dieſen Thieren: ſchonend
ging es mit ihnen um und erkannte, was es ihnen zu danken
habe. So lebt der Araber und Mogole mit ſeinem Roß, der
Hirt mit ſeinem Schaaf, der Jaͤger mit ſeinem Hunde, der
Peruaner mit ſeinem Llacmaa). Bei einer menſchlichen Be-
handlung gedeihen auch, wie allgemein bekannt iſt, alle Huͤlfs-
geſchoͤpfe der menſchlichen Lebensweiſe beſſer: ſie lernen den
Menſchen verſtehn und ihn lieben: es entwickeln ſich bei ih-
nen Faͤhigkeiten und Neigungen, von denen weder das wilde
noch das von Menſchen unterdruͤckte Thier weiß, das in fei-

ſter
a) Man leſe z. B. in Ulloa (Nachr. von Amerika Th. 1. S. 131.)
die kindiſche Freude, mit der der Peruaner eine Llacma zu ſeinem
Dienſt weihet. Die Lebensarten der andern Voͤlker mit ihren Thie-
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[167/0179] weder den Kiki noch Pagi, weder den Tapir noch Ai zum nuͤtz- lichen Hausthier umbilden koͤnnen. Jn der alten Welt dagegen wie viel ſind der bezaͤhmten Thiere! und wie viel ſind ſie dem thaͤtigen Verſtande des Men- ſchengeſchlechts worden! Ohne Kameel und Pferd waͤre die Arabiſche und Afrikaniſche Wuͤſte unzugangbar; das Schaaf und die Ziege haben der haͤuslichen Verfaſſung der Menſchen, das Rind und der Eſel dem Ackerbau und Handel der Voͤlker aufgeholfen. Jm einfachen Zuſtande lebte das Menſchenge- ſchoͤpf freundlich und geſellig mit dieſen Thieren: ſchonend ging es mit ihnen um und erkannte, was es ihnen zu danken habe. So lebt der Araber und Mogole mit ſeinem Roß, der Hirt mit ſeinem Schaaf, der Jaͤger mit ſeinem Hunde, der Peruaner mit ſeinem Llacma a). Bei einer menſchlichen Be- handlung gedeihen auch, wie allgemein bekannt iſt, alle Huͤlfs- geſchoͤpfe der menſchlichen Lebensweiſe beſſer: ſie lernen den Menſchen verſtehn und ihn lieben: es entwickeln ſich bei ih- nen Faͤhigkeiten und Neigungen, von denen weder das wilde noch das von Menſchen unterdruͤckte Thier weiß, das in fei- ſter a) Man leſe z. B. in Ulloa (Nachr. von Amerika Th. 1. S. 131.) die kindiſche Freude, mit der der Peruaner eine Llacma zu ſeinem Dienſt weihet. Die Lebensarten der andern Voͤlker mit ihren Thie- ren ſind aus Reiſebeſchreibungen gnugſam bekannt.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/179>, abgerufen am 24.11.2024.