ist gelichtet und mit dem Klima haben sich die Einwohner selbst geändert. Ohne Policei und Kunst wäre Aegypten ein Schlamm des Nils worden; es ist ihm abgewonnen und so- wohl hier als im weitern Asien hinauf hat die lebendige Schö- pfung sich dem künstlichen Klima bequemet. Wir können also das Menschengeschlecht als eine Schaar kühner, obwohl kleiner Riesen betrachten, die allmälich von den Bergen her- abstiegen, die Erde zu unterjochen und das Klima mit ihrer schwachen Faust zu verändern. Wie weit sie es darinn ge- bracht haben mögen, wird uns die Zukunft lehren.
4. Jsts endlich erlaubt, über eine Sache, die so ganz auf einzelnen Fällen des Orts und der Geschichte ruhet, etwas allgemeines zu sagen: so setze ich verändert einige Cautelen her, die Baco zu seiner Geschichte der Revolutionen giebeta). Die Wirkung des Klima erstreckt sich zwar auf Körper aller- lei Art, vorzüglich aber auf die zärtern, die Feuchtigkeiten, die Luft und den Aether. Sie verbreitet sich vielmehr auf die Massen der Dinge, als auf die Jndividuen; doch auch auf diese durch jene. Sie geht nicht auf Zeitpunkte sondern herrscht in Zeiträumen, wo sie oft spät und sodann vielleicht durch geringe Umstände offenbar wird. Endlich: das Klima
zwin-
a)Baco de augm. scient. I. 3.
iſt gelichtet und mit dem Klima haben ſich die Einwohner ſelbſt geaͤndert. Ohne Policei und Kunſt waͤre Aegypten ein Schlamm des Nils worden; es iſt ihm abgewonnen und ſo- wohl hier als im weitern Aſien hinauf hat die lebendige Schoͤ- pfung ſich dem kuͤnſtlichen Klima bequemet. Wir koͤnnen alſo das Menſchengeſchlecht als eine Schaar kuͤhner, obwohl kleiner Rieſen betrachten, die allmaͤlich von den Bergen her- abſtiegen, die Erde zu unterjochen und das Klima mit ihrer ſchwachen Fauſt zu veraͤndern. Wie weit ſie es darinn ge- bracht haben moͤgen, wird uns die Zukunft lehren.
4. Jſts endlich erlaubt, uͤber eine Sache, die ſo ganz auf einzelnen Faͤllen des Orts und der Geſchichte ruhet, etwas allgemeines zu ſagen: ſo ſetze ich veraͤndert einige Cautelen her, die Baco zu ſeiner Geſchichte der Revolutionen giebeta). Die Wirkung des Klima erſtreckt ſich zwar auf Koͤrper aller- lei Art, vorzuͤglich aber auf die zaͤrtern, die Feuchtigkeiten, die Luft und den Aether. Sie verbreitet ſich vielmehr auf die Maſſen der Dinge, als auf die Jndividuen; doch auch auf dieſe durch jene. Sie geht nicht auf Zeitpunkte ſondern herrſcht in Zeitraͤumen, wo ſie oft ſpaͤt und ſodann vielleicht durch geringe Umſtaͤnde offenbar wird. Endlich: das Klima
zwin-
a)Baco de augm. ſcient. I. 3.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0115"n="103"/>
iſt gelichtet und mit dem Klima haben ſich die Einwohner ſelbſt<lb/>
geaͤndert. Ohne Policei und Kunſt waͤre Aegypten ein<lb/>
Schlamm des Nils worden; es iſt ihm abgewonnen und ſo-<lb/>
wohl hier als im weitern Aſien hinauf hat die lebendige Schoͤ-<lb/>
pfung ſich dem kuͤnſtlichen Klima bequemet. Wir koͤnnen<lb/>
alſo das Menſchengeſchlecht als eine Schaar kuͤhner, obwohl<lb/>
kleiner Rieſen betrachten, die allmaͤlich von den Bergen her-<lb/>
abſtiegen, die Erde zu unterjochen und das Klima mit ihrer<lb/>ſchwachen Fauſt zu veraͤndern. Wie weit ſie es darinn ge-<lb/>
bracht haben moͤgen, wird uns die Zukunft lehren.</p><lb/><p>4. Jſts endlich erlaubt, uͤber eine Sache, die ſo ganz<lb/>
auf einzelnen Faͤllen des Orts und der Geſchichte ruhet, etwas<lb/>
allgemeines zu ſagen: ſo ſetze ich veraͤndert einige Cautelen<lb/>
her, die <hirendition="#fr">Baco</hi> zu ſeiner Geſchichte der Revolutionen giebet<noteplace="foot"n="a)"><hirendition="#aq">Baco de augm. ſcient. I.</hi> 3.</note>.<lb/>
Die Wirkung des Klima erſtreckt ſich zwar auf Koͤrper aller-<lb/>
lei Art, vorzuͤglich aber auf die zaͤrtern, die Feuchtigkeiten,<lb/>
die Luft und den Aether. Sie verbreitet ſich vielmehr auf<lb/>
die Maſſen der Dinge, als auf die Jndividuen; doch auch<lb/>
auf dieſe durch jene. Sie geht nicht auf Zeitpunkte ſondern<lb/>
herrſcht in Zeitraͤumen, wo ſie oft ſpaͤt und ſodann vielleicht<lb/>
durch geringe Umſtaͤnde offenbar wird. Endlich: das Klima<lb/><fwplace="bottom"type="catch">zwin-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[103/0115]
iſt gelichtet und mit dem Klima haben ſich die Einwohner ſelbſt
geaͤndert. Ohne Policei und Kunſt waͤre Aegypten ein
Schlamm des Nils worden; es iſt ihm abgewonnen und ſo-
wohl hier als im weitern Aſien hinauf hat die lebendige Schoͤ-
pfung ſich dem kuͤnſtlichen Klima bequemet. Wir koͤnnen
alſo das Menſchengeſchlecht als eine Schaar kuͤhner, obwohl
kleiner Rieſen betrachten, die allmaͤlich von den Bergen her-
abſtiegen, die Erde zu unterjochen und das Klima mit ihrer
ſchwachen Fauſt zu veraͤndern. Wie weit ſie es darinn ge-
bracht haben moͤgen, wird uns die Zukunft lehren.
4. Jſts endlich erlaubt, uͤber eine Sache, die ſo ganz
auf einzelnen Faͤllen des Orts und der Geſchichte ruhet, etwas
allgemeines zu ſagen: ſo ſetze ich veraͤndert einige Cautelen
her, die Baco zu ſeiner Geſchichte der Revolutionen giebet a).
Die Wirkung des Klima erſtreckt ſich zwar auf Koͤrper aller-
lei Art, vorzuͤglich aber auf die zaͤrtern, die Feuchtigkeiten,
die Luft und den Aether. Sie verbreitet ſich vielmehr auf
die Maſſen der Dinge, als auf die Jndividuen; doch auch
auf dieſe durch jene. Sie geht nicht auf Zeitpunkte ſondern
herrſcht in Zeitraͤumen, wo ſie oft ſpaͤt und ſodann vielleicht
durch geringe Umſtaͤnde offenbar wird. Endlich: das Klima
zwin-
a) Baco de augm. ſcient. I. 3.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/115>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.