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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

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wurden durch den Bau der Erde an die Gebürge selten: denn
die Berge stehn wie Ableiter des Himmels da und gießen ihr
Füllhorn aus in befruchtenden Strömen. Die öden Ufer
endlich, der kalte oder feuchte Meeresabhang ist allenthalben
nur später entstandenes Land, welches also auch die Mensch-
heit erst später und schon wohlgenährt an Kräften beziehen
dorfte. Das Thal Quito war gewiß eher bewohnt als das
Feuerland; Kaschmire eher als Neuholland oder Nova-Zem-
bla. Die mittlere größeste Breite der Erde, das Land der
schönsten Klimate zwischen Meer und Gebürgen war das Er-
ziehungshaus unsres Geschlechts und ist noch jetzt der bewohn-
teste Theil der Erde --

Nun ist keine Frage, daß wie das Klima ein Jnbegrif
von Kräften und Einflüssen ist, zu dem die Pflanze wie das
Thier beyträgt und der allen Lebendigen in einem wechselseiti-
gen Zusammenhange dienet, der Mensch auch darinn zum
Herrn der Erde gesetzt sei, daß er es durch Kunst ändre.
Seitdem er das Feuer vom Himmel stal und seine Faust das
Eisen lenkte, seitdem er Thiere und seine Mitbrüder selbst zu-
sammenzwang und sie sowohl als die Pflanze zu seinem Dienst
erzog: hat er auf mancherlei Weise zur Veränderung dessel-
ben mitgewirket. Europa war vormals ein feuchter Wald
und andre jetzt cultivirte Gegenden warens nicht minder: es

ist

wurden durch den Bau der Erde an die Gebuͤrge ſelten: denn
die Berge ſtehn wie Ableiter des Himmels da und gießen ihr
Fuͤllhorn aus in befruchtenden Stroͤmen. Die oͤden Ufer
endlich, der kalte oder feuchte Meeresabhang iſt allenthalben
nur ſpaͤter entſtandenes Land, welches alſo auch die Menſch-
heit erſt ſpaͤter und ſchon wohlgenaͤhrt an Kraͤften beziehen
dorfte. Das Thal Quito war gewiß eher bewohnt als das
Feuerland; Kaſchmire eher als Neuholland oder Nova-Zem-
bla. Die mittlere groͤßeſte Breite der Erde, das Land der
ſchoͤnſten Klimate zwiſchen Meer und Gebuͤrgen war das Er-
ziehungshaus unſres Geſchlechts und iſt noch jetzt der bewohn-
teſte Theil der Erde —

Nun iſt keine Frage, daß wie das Klima ein Jnbegrif
von Kraͤften und Einfluͤſſen iſt, zu dem die Pflanze wie das
Thier beytraͤgt und der allen Lebendigen in einem wechſelſeiti-
gen Zuſammenhange dienet, der Menſch auch darinn zum
Herrn der Erde geſetzt ſei, daß er es durch Kunſt aͤndre.
Seitdem er das Feuer vom Himmel ſtal und ſeine Fauſt das
Eiſen lenkte, ſeitdem er Thiere und ſeine Mitbruͤder ſelbſt zu-
ſammenzwang und ſie ſowohl als die Pflanze zu ſeinem Dienſt
erzog: hat er auf mancherlei Weiſe zur Veraͤnderung deſſel-
ben mitgewirket. Europa war vormals ein feuchter Wald
und andre jetzt cultivirte Gegenden warens nicht minder: es

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[102/0114] wurden durch den Bau der Erde an die Gebuͤrge ſelten: denn die Berge ſtehn wie Ableiter des Himmels da und gießen ihr Fuͤllhorn aus in befruchtenden Stroͤmen. Die oͤden Ufer endlich, der kalte oder feuchte Meeresabhang iſt allenthalben nur ſpaͤter entſtandenes Land, welches alſo auch die Menſch- heit erſt ſpaͤter und ſchon wohlgenaͤhrt an Kraͤften beziehen dorfte. Das Thal Quito war gewiß eher bewohnt als das Feuerland; Kaſchmire eher als Neuholland oder Nova-Zem- bla. Die mittlere groͤßeſte Breite der Erde, das Land der ſchoͤnſten Klimate zwiſchen Meer und Gebuͤrgen war das Er- ziehungshaus unſres Geſchlechts und iſt noch jetzt der bewohn- teſte Theil der Erde — Nun iſt keine Frage, daß wie das Klima ein Jnbegrif von Kraͤften und Einfluͤſſen iſt, zu dem die Pflanze wie das Thier beytraͤgt und der allen Lebendigen in einem wechſelſeiti- gen Zuſammenhange dienet, der Menſch auch darinn zum Herrn der Erde geſetzt ſei, daß er es durch Kunſt aͤndre. Seitdem er das Feuer vom Himmel ſtal und ſeine Fauſt das Eiſen lenkte, ſeitdem er Thiere und ſeine Mitbruͤder ſelbſt zu- ſammenzwang und ſie ſowohl als die Pflanze zu ſeinem Dienſt erzog: hat er auf mancherlei Weiſe zur Veraͤnderung deſſel- ben mitgewirket. Europa war vormals ein feuchter Wald und andre jetzt cultivirte Gegenden warens nicht minder: es iſt

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/114>, abgerufen am 24.11.2024.