günstig sich mit uns verbinden. Jn ihr wirkt der elektrische Feuerstrom, dies mächtige und in seinen animalischen Einflüs- sen uns noch fast unbekannte Wesen: denn so wenig wir die innern Gesetze seiner Natur kennen: so wenig wissen wir, wie der menschliche Körper es aufnimmt und verarbeitet. Wir leben vom Hauch der Luft; allein der Balsam in ihr, unsre Lebensspeise, ist uns ein Geheimniß. Fügen wir nun die mancherlei, beinah unnennbaren Localbeschaffenheiten ihrer Bestandtheile nach den Ausdünstungen aller Körper ihres Gebietes hinzu; erinnern wir uns der Beispiele, wie oft durch einen unsichtbaren, bösen Samen, dem der Arzt nur den Namen eines Miasma zu geben wußte, die sonderbarsten, oft fürchterliche und in Jahrtausenden unaustilgbare Dinge entstanden sind: denken wir an das geheime Gift, das uns die Blattern, die Pest, die Lustseuche, die mit manchem Zeit- alter verschwindenden Krankheiten gebracht hat und erinnern uns, wie wenig wir, nicht etwa den Hermattan und Sam- miel, den Sirocco und den Nordostwind der Tatarei, son- dern nur die Beschaffenheit und Wirkung unsrer Winde ken- nen; wie viel mangelnde Vorarbeiten werden wir inne, ehe wir an eine physiologisch-pathologische, geschweige an eine Klimatologie aller menschlichen Denk- und Empfindungs- kräfte kommen können. Auch hier indessen bleibt jedem
scharf-
Jdeen,II.Th. N
guͤnſtig ſich mit uns verbinden. Jn ihr wirkt der elektriſche Feuerſtrom, dies maͤchtige und in ſeinen animaliſchen Einfluͤſ- ſen uns noch faſt unbekannte Weſen: denn ſo wenig wir die innern Geſetze ſeiner Natur kennen: ſo wenig wiſſen wir, wie der menſchliche Koͤrper es aufnimmt und verarbeitet. Wir leben vom Hauch der Luft; allein der Balſam in ihr, unſre Lebensſpeiſe, iſt uns ein Geheimniß. Fuͤgen wir nun die mancherlei, beinah unnennbaren Localbeſchaffenheiten ihrer Beſtandtheile nach den Ausduͤnſtungen aller Koͤrper ihres Gebietes hinzu; erinnern wir uns der Beiſpiele, wie oft durch einen unſichtbaren, boͤſen Samen, dem der Arzt nur den Namen eines Miasma zu geben wußte, die ſonderbarſten, oft fuͤrchterliche und in Jahrtauſenden unaustilgbare Dinge entſtanden ſind: denken wir an das geheime Gift, das uns die Blattern, die Peſt, die Luſtſeuche, die mit manchem Zeit- alter verſchwindenden Krankheiten gebracht hat und erinnern uns, wie wenig wir, nicht etwa den Hermattan und Sam- miel, den Sirocco und den Nordoſtwind der Tatarei, ſon- dern nur die Beſchaffenheit und Wirkung unſrer Winde ken- nen; wie viel mangelnde Vorarbeiten werden wir inne, ehe wir an eine phyſiologiſch-pathologiſche, geſchweige an eine Klimatologie aller menſchlichen Denk- und Empfindungs- kraͤfte kommen koͤnnen. Auch hier indeſſen bleibt jedem
ſcharf-
Jdeen,II.Th. N
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guͤnſtig ſich mit uns verbinden. Jn ihr wirkt der elektriſche
Feuerſtrom, dies maͤchtige und in ſeinen animaliſchen Einfluͤſ-
ſen uns noch faſt unbekannte Weſen: denn ſo wenig wir die
innern Geſetze ſeiner Natur kennen: ſo wenig wiſſen wir, wie
der menſchliche Koͤrper es aufnimmt und verarbeitet. Wir
leben vom Hauch der Luft; allein der Balſam in ihr, unſre
Lebensſpeiſe, iſt uns ein Geheimniß. Fuͤgen wir nun die
mancherlei, beinah unnennbaren Localbeſchaffenheiten ihrer
Beſtandtheile nach den Ausduͤnſtungen aller Koͤrper ihres
Gebietes hinzu; erinnern wir uns der Beiſpiele, wie oft
durch einen unſichtbaren, boͤſen Samen, dem der Arzt nur
den Namen eines Miasma zu geben wußte, die ſonderbarſten,
oft fuͤrchterliche und in Jahrtauſenden unaustilgbare Dinge
entſtanden ſind: denken wir an das geheime Gift, das uns
die Blattern, die Peſt, die Luſtſeuche, die mit manchem Zeit-
alter verſchwindenden Krankheiten gebracht hat und erinnern
uns, wie wenig wir, nicht etwa den Hermattan und Sam-
miel, den Sirocco und den Nordoſtwind der Tatarei, ſon-
dern nur die Beſchaffenheit und Wirkung unſrer Winde ken-
nen; wie viel mangelnde Vorarbeiten werden wir inne, ehe
wir an eine phyſiologiſch-pathologiſche, geſchweige an eine
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/109>, abgerufen am 27.11.2024.
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