Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


dergleichen. Und dennoch hat man betrübte Beispiele er-
lebt, daß die Schifleute von ihnen überfallen und ermordet
worden, da sie denn nachher das Schiff ans Land treiben
lassen." -- Und wie viel traurigere Beispiele hat man er-
lebt vom verzweifelnden Selbstmorde dieser unglücklichen Ge-
raubten! Sparrmann erzähltb) aus dem Munde eines
Besitzers solcher Sklaven, daß sie des Nachts in eine Art
von Raserei verfallen, die sie antreibt, an irgend jemand
oder gar an sich selbst einen Mord zu begehen: "denn das
schwermüthige Andenken an den schmerzhaften Verlust ihres
Vaterlandes und ihrer Freiheit erwacht am meisten des
Nachts, wenn das Geräusch des Tages es nicht zu zerstreu-
en vermag." -- Und was für Recht hattet ihr Unmenschen,
euch dem Lande dieser Unglücklichen nur zu nahen, geschwei-
ge es ihnen und sie dem Lande durch Diebstal, List und
Grausamkeit zu entreißen? Seit Jahrtausenden ist dieser
Welttheil der ihre, so wie sie ihm zugehören: ihre Väter
hatten ihn um den höchsten und schwersten Preis erkauft,
um ihre Negergestalt und Negerfarbe. Bildend hatte die

Afri-
b) Sparmanns Reisen S. 73. Der Menschenfreundliche Rei-
sende hat viele traurige Nachrichten von der Behandlung und dem
Fange der Sklaven eingestreuet S. S. 195. 612. u. f.
Jdeen, II. Th. M


dergleichen. Und dennoch hat man betruͤbte Beiſpiele er-
lebt, daß die Schifleute von ihnen uͤberfallen und ermordet
worden, da ſie denn nachher das Schiff ans Land treiben
laſſen.“ — Und wie viel traurigere Beiſpiele hat man er-
lebt vom verzweifelnden Selbſtmorde dieſer ungluͤcklichen Ge-
raubten! Sparrmann erzaͤhltb) aus dem Munde eines
Beſitzers ſolcher Sklaven, daß ſie des Nachts in eine Art
von Raſerei verfallen, die ſie antreibt, an irgend jemand
oder gar an ſich ſelbſt einen Mord zu begehen: „denn das
ſchwermuͤthige Andenken an den ſchmerzhaften Verluſt ihres
Vaterlandes und ihrer Freiheit erwacht am meiſten des
Nachts, wenn das Geraͤuſch des Tages es nicht zu zerſtreu-
en vermag.“ — Und was fuͤr Recht hattet ihr Unmenſchen,
euch dem Lande dieſer Ungluͤcklichen nur zu nahen, geſchwei-
ge es ihnen und ſie dem Lande durch Diebſtal, Liſt und
Grauſamkeit zu entreißen? Seit Jahrtauſenden iſt dieſer
Welttheil der ihre, ſo wie ſie ihm zugehoͤren: ihre Vaͤter
hatten ihn um den hoͤchſten und ſchwerſten Preis erkauft,
um ihre Negergeſtalt und Negerfarbe. Bildend hatte die

Afri-
b) Sparmanns Reiſen S. 73. Der Menſchenfreundliche Rei-
ſende hat viele traurige Nachrichten von der Behandlung und dem
Fange der Sklaven eingeſtreuet S. S. 195. 612. u. f.
Jdeen, II. Th. M
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0101" n="89"/><lb/>
dergleichen. Und dennoch hat man betru&#x0364;bte Bei&#x017F;piele er-<lb/>
lebt, daß die Schifleute von ihnen u&#x0364;berfallen und ermordet<lb/>
worden, da &#x017F;ie denn nachher das Schiff ans Land treiben<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en.&#x201C; &#x2014; Und wie viel traurigere Bei&#x017F;piele hat man er-<lb/>
lebt vom verzweifelnden Selb&#x017F;tmorde die&#x017F;er unglu&#x0364;cklichen Ge-<lb/>
raubten! <hi rendition="#fr">Sparrmann</hi> erza&#x0364;hlt<note place="foot" n="b)"><hi rendition="#fr">Sparmanns</hi> Rei&#x017F;en S. 73. Der Men&#x017F;chenfreundliche Rei-<lb/>
&#x017F;ende hat viele traurige Nachrichten von der Behandlung und dem<lb/>
Fange der Sklaven einge&#x017F;treuet S. S. 195. 612. u. f.</note> aus dem Munde eines<lb/>
Be&#x017F;itzers &#x017F;olcher Sklaven, daß &#x017F;ie des Nachts in eine Art<lb/>
von Ra&#x017F;erei verfallen, die &#x017F;ie antreibt, an irgend jemand<lb/>
oder gar an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t einen Mord zu begehen: &#x201E;denn das<lb/>
&#x017F;chwermu&#x0364;thige Andenken an den &#x017F;chmerzhaften Verlu&#x017F;t ihres<lb/>
Vaterlandes und ihrer Freiheit erwacht am mei&#x017F;ten des<lb/>
Nachts, wenn das Gera&#x0364;u&#x017F;ch des Tages es nicht zu zer&#x017F;treu-<lb/>
en vermag.&#x201C; &#x2014; Und was fu&#x0364;r Recht hattet ihr Unmen&#x017F;chen,<lb/>
euch dem Lande die&#x017F;er Unglu&#x0364;cklichen nur zu nahen, ge&#x017F;chwei-<lb/>
ge es ihnen und &#x017F;ie dem Lande durch Dieb&#x017F;tal, Li&#x017F;t und<lb/>
Grau&#x017F;amkeit zu entreißen? Seit Jahrtau&#x017F;enden i&#x017F;t die&#x017F;er<lb/>
Welttheil der ihre, &#x017F;o wie &#x017F;ie ihm zugeho&#x0364;ren: ihre Va&#x0364;ter<lb/>
hatten ihn um den ho&#x0364;ch&#x017F;ten und &#x017F;chwer&#x017F;ten Preis erkauft,<lb/>
um ihre Negerge&#x017F;talt und Negerfarbe. Bildend hatte die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Afri-</fw><lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Jdeen,</hi><hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#fr">Th.</hi> M</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0101] dergleichen. Und dennoch hat man betruͤbte Beiſpiele er- lebt, daß die Schifleute von ihnen uͤberfallen und ermordet worden, da ſie denn nachher das Schiff ans Land treiben laſſen.“ — Und wie viel traurigere Beiſpiele hat man er- lebt vom verzweifelnden Selbſtmorde dieſer ungluͤcklichen Ge- raubten! Sparrmann erzaͤhlt b) aus dem Munde eines Beſitzers ſolcher Sklaven, daß ſie des Nachts in eine Art von Raſerei verfallen, die ſie antreibt, an irgend jemand oder gar an ſich ſelbſt einen Mord zu begehen: „denn das ſchwermuͤthige Andenken an den ſchmerzhaften Verluſt ihres Vaterlandes und ihrer Freiheit erwacht am meiſten des Nachts, wenn das Geraͤuſch des Tages es nicht zu zerſtreu- en vermag.“ — Und was fuͤr Recht hattet ihr Unmenſchen, euch dem Lande dieſer Ungluͤcklichen nur zu nahen, geſchwei- ge es ihnen und ſie dem Lande durch Diebſtal, Liſt und Grauſamkeit zu entreißen? Seit Jahrtauſenden iſt dieſer Welttheil der ihre, ſo wie ſie ihm zugehoͤren: ihre Vaͤter hatten ihn um den hoͤchſten und ſchwerſten Preis erkauft, um ihre Negergeſtalt und Negerfarbe. Bildend hatte die Afri- b) Sparmanns Reiſen S. 73. Der Menſchenfreundliche Rei- ſende hat viele traurige Nachrichten von der Behandlung und dem Fange der Sklaven eingeſtreuet S. S. 195. 612. u. f. Jdeen, II. Th. M

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/101
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/101>, abgerufen am 24.11.2024.