ihrer Revolutionen entworfen. Wie Völker hie und da durchbrachen und weiteres Land entdeckten; wie sie längst den Strömen fortzogen und an fruchtbaren Oertern Hütten, Dörfer und Städte bauten; wie sie sich zwischen Bergen und Wüsten, etwa einen Strom in der Mitte, gleichsam ver- schanzten und diesen von der Natur und ihrer Gewohnheit abgezirkten Erdstrich nun das Jhre nannten: wie hieraus nach der Beschaffenheit der Gegend verschiedne Lebensarten, zuletzt Reiche entstanden, bis das menschliche Geschlecht end- lich Ufer fand und an dem meistens unfruchtbarern Ufer auf der See gehen und aus ihr Nahrung gewinnen lernte -- Das Alles gehört so sehr zur natürlich-fortschreitenden Ge- schichte des Menschengeschlechts, als zur Naturgeschichte der Erde. Eine andre Höhe wars, die Jagdnationen erzog, die also Wildheit unterhielt und nöthig machte: eine andre, mehr aus- gebreitet und milde, die Hirtenvölkern ein Feld gab und ihnen friedliche Thiere zugesellte: eine andre, die den Ackerbau leicht und nothwendig machte; noch eine andre, die aufs Schwimmen und den Fischfang stieß, endlich und zuletzt gar zum Handel führte -- lauter Perioden und Zustände der Menschheit, die der Bau unsrer Erde in seiner natürlichen Verschiedenheit und Abwechselung nothwendig machte. Jn manchen Erdstrichen haben sich daher die Sitten und Lebens- arten Jahrtausende erhalten; in andern sind sie, meistens
durch
ihrer Revolutionen entworfen. Wie Voͤlker hie und da durchbrachen und weiteres Land entdeckten; wie ſie laͤngſt den Stroͤmen fortzogen und an fruchtbaren Oertern Huͤtten, Doͤrfer und Staͤdte bauten; wie ſie ſich zwiſchen Bergen und Wuͤſten, etwa einen Strom in der Mitte, gleichſam ver- ſchanzten und dieſen von der Natur und ihrer Gewohnheit abgezirkten Erdſtrich nun das Jhre nannten: wie hieraus nach der Beſchaffenheit der Gegend verſchiedne Lebensarten, zuletzt Reiche entſtanden, bis das menſchliche Geſchlecht end- lich Ufer fand und an dem meiſtens unfruchtbarern Ufer auf der See gehen und aus ihr Nahrung gewinnen lernte — Das Alles gehoͤrt ſo ſehr zur natuͤrlich-fortſchreitenden Ge- ſchichte des Menſchengeſchlechts, als zur Naturgeſchichte der Erde. Eine andre Hoͤhe wars, die Jagdnationen erzog, die alſo Wildheit unterhielt und noͤthig machte: eine andre, mehr aus- gebreitet und milde, die Hirtenvoͤlkern ein Feld gab und ihnen friedliche Thiere zugeſellte: eine andre, die den Ackerbau leicht und nothwendig machte; noch eine andre, die aufs Schwimmen und den Fiſchfang ſtieß, endlich und zuletzt gar zum Handel fuͤhrte — lauter Perioden und Zuſtaͤnde der Menſchheit, die der Bau unſrer Erde in ſeiner natuͤrlichen Verſchiedenheit und Abwechſelung nothwendig machte. Jn manchen Erdſtrichen haben ſich daher die Sitten und Lebens- arten Jahrtauſende erhalten; in andern ſind ſie, meiſtens
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ihrer Revolutionen entworfen. Wie Voͤlker hie und da
durchbrachen und weiteres Land entdeckten; wie ſie laͤngſt
den Stroͤmen fortzogen und an fruchtbaren Oertern Huͤtten,
Doͤrfer und Staͤdte bauten; wie ſie ſich zwiſchen Bergen
und Wuͤſten, etwa einen Strom in der Mitte, gleichſam ver-
ſchanzten und dieſen von der Natur und ihrer Gewohnheit
abgezirkten Erdſtrich nun das Jhre nannten: wie hieraus
nach der Beſchaffenheit der Gegend verſchiedne Lebensarten,
zuletzt Reiche entſtanden, bis das menſchliche Geſchlecht end-
lich Ufer fand und an dem meiſtens unfruchtbarern Ufer auf
der See gehen und aus ihr Nahrung gewinnen lernte —
Das Alles gehoͤrt ſo ſehr zur natuͤrlich-fortſchreitenden Ge-
ſchichte des Menſchengeſchlechts, als zur Naturgeſchichte der
Erde. Eine andre Hoͤhe wars, die Jagdnationen erzog, die alſo
Wildheit unterhielt und noͤthig machte: eine andre, mehr aus-
gebreitet und milde, die Hirtenvoͤlkern ein Feld gab und ihnen
friedliche Thiere zugeſellte: eine andre, die den Ackerbau
leicht und nothwendig machte; noch eine andre, die aufs
Schwimmen und den Fiſchfang ſtieß, endlich und zuletzt gar
zum Handel fuͤhrte — lauter Perioden und Zuſtaͤnde der
Menſchheit, die der Bau unſrer Erde in ſeiner natuͤrlichen
Verſchiedenheit und Abwechſelung nothwendig machte. Jn
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/64>, abgerufen am 25.11.2024.
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