Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

zen, Thieren, zuletzt im Menschen wie viel Auflösungen
und Revolutionen des Einen in das Andre setzten die vor-
aus! Da die Natur nun allenthalben auch jetzt noch alles
aus dem Feinsten, Kleinesten hervorbringt und indem sie auf
unser Zeitmaas gar nicht rechnet, die reichste Fülle mit der
engsten Sparsamkeit mittheilet: so scheint dieses auch, selbst
nach der mosaischen Tradition, ihr Gang gewesen zu seyn,
da sie zur Bildung oder vielmehr zu Ausbildung und Ent-
wicklung der Geschöpfe den ersten Grund legte. Die Mas-
se wirkender Kräfte und Elemente, aus der die Erde ward,
enthielt wahrscheinlich als Chaos alles, was auf ihr werden
sollte und konnte. Jn periodischen Zeiträumen entwickelte sich
aus geistigen und körperlichen staminibus die Luft, das Feuer,
das Wasser, die Erde. Mancherlei Verbindungen des
Wassers, der Luft, des Lichts mußten vorhergegangen sein,
ehe der Same der ersten Pflanzenorganisation, etwa das
Moos, hervorgehen konnte. Viele Pflanzen mußten hervor-
gegangen und gestorben seyn, ehe eine Thierorganisation
ward; auch bey dieser gingen Jnsekten, Vögel, Was-
ser- und Nachtthiere den gebildetern Thieren der Erde und
des Tages vor; bis endlich nach allen die Krone der Orga-
nisation unsrer Erde, der Mensch, auftrat, Microcos-
mus
. Er, der Sohn aller Elemente und Wesen, ihr er-
lesenster Jnbegrif und gleichsam die Blüthe der Erdenschö-

pfung
C 2

zen, Thieren, zuletzt im Menſchen wie viel Aufloͤſungen
und Revolutionen des Einen in das Andre ſetzten die vor-
aus! Da die Natur nun allenthalben auch jetzt noch alles
aus dem Feinſten, Kleineſten hervorbringt und indem ſie auf
unſer Zeitmaas gar nicht rechnet, die reichſte Fuͤlle mit der
engſten Sparſamkeit mittheilet: ſo ſcheint dieſes auch, ſelbſt
nach der moſaiſchen Tradition, ihr Gang geweſen zu ſeyn,
da ſie zur Bildung oder vielmehr zu Ausbildung und Ent-
wicklung der Geſchoͤpfe den erſten Grund legte. Die Maſ-
ſe wirkender Kraͤfte und Elemente, aus der die Erde ward,
enthielt wahrſcheinlich als Chaos alles, was auf ihr werden
ſollte und konnte. Jn periodiſchen Zeitraͤumen entwickelte ſich
aus geiſtigen und koͤrperlichen ſtaminibus die Luft, das Feuer,
das Waſſer, die Erde. Mancherlei Verbindungen des
Waſſers, der Luft, des Lichts mußten vorhergegangen ſein,
ehe der Same der erſten Pflanzenorganiſation, etwa das
Moos, hervorgehen konnte. Viele Pflanzen mußten hervor-
gegangen und geſtorben ſeyn, ehe eine Thierorganiſation
ward; auch bey dieſer gingen Jnſekten, Voͤgel, Waſ-
ſer- und Nachtthiere den gebildetern Thieren der Erde und
des Tages vor; bis endlich nach allen die Krone der Orga-
niſation unſrer Erde, der Menſch, auftrat, Microcos-
mus
. Er, der Sohn aller Elemente und Weſen, ihr er-
leſenſter Jnbegrif und gleichſam die Bluͤthe der Erdenſchoͤ-

pfung
C 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0041" n="19"/>
          <p>zen, Thieren, zuletzt im Men&#x017F;chen wie viel Auflo&#x0364;&#x017F;ungen<lb/>
und Revolutionen des Einen in das Andre &#x017F;etzten die vor-<lb/>
aus! Da die Natur nun allenthalben auch jetzt noch alles<lb/>
aus dem Fein&#x017F;ten, Kleine&#x017F;ten hervorbringt und indem &#x017F;ie auf<lb/>
un&#x017F;er Zeitmaas gar nicht rechnet, die reich&#x017F;te Fu&#x0364;lle mit der<lb/>
eng&#x017F;ten Spar&#x017F;amkeit mittheilet: &#x017F;o &#x017F;cheint die&#x017F;es auch, &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
nach der mo&#x017F;ai&#x017F;chen Tradition, ihr Gang gewe&#x017F;en zu &#x017F;eyn,<lb/>
da &#x017F;ie zur Bildung oder vielmehr zu Ausbildung und Ent-<lb/>
wicklung der Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe den er&#x017F;ten Grund legte. Die Ma&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e wirkender Kra&#x0364;fte und Elemente, aus der die Erde ward,<lb/>
enthielt wahr&#x017F;cheinlich als Chaos alles, was auf ihr werden<lb/>
&#x017F;ollte und konnte. Jn periodi&#x017F;chen Zeitra&#x0364;umen entwickelte &#x017F;ich<lb/>
aus gei&#x017F;tigen und ko&#x0364;rperlichen <hi rendition="#aq">&#x017F;taminibus</hi> die Luft, das Feuer,<lb/>
das Wa&#x017F;&#x017F;er, die Erde. Mancherlei Verbindungen des<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;ers, der Luft, des Lichts mußten vorhergegangen &#x017F;ein,<lb/>
ehe der Same der er&#x017F;ten Pflanzenorgani&#x017F;ation, etwa das<lb/>
Moos, hervorgehen konnte. Viele Pflanzen mußten hervor-<lb/>
gegangen und ge&#x017F;torben &#x017F;eyn, ehe eine Thierorgani&#x017F;ation<lb/>
ward; auch bey die&#x017F;er gingen Jn&#x017F;ekten, Vo&#x0364;gel, Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er- und Nachtthiere den gebildetern Thieren der Erde und<lb/>
des Tages vor; bis endlich nach allen die Krone der Orga-<lb/>
ni&#x017F;ation un&#x017F;rer Erde, der Men&#x017F;ch, auftrat, <hi rendition="#fr">Microcos-<lb/>
mus</hi>. Er, der Sohn aller Elemente und We&#x017F;en, ihr er-<lb/>
le&#x017F;en&#x017F;ter Jnbegrif und gleich&#x017F;am die Blu&#x0364;the der Erden&#x017F;cho&#x0364;-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 2</fw><fw place="bottom" type="catch">pfung</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0041] zen, Thieren, zuletzt im Menſchen wie viel Aufloͤſungen und Revolutionen des Einen in das Andre ſetzten die vor- aus! Da die Natur nun allenthalben auch jetzt noch alles aus dem Feinſten, Kleineſten hervorbringt und indem ſie auf unſer Zeitmaas gar nicht rechnet, die reichſte Fuͤlle mit der engſten Sparſamkeit mittheilet: ſo ſcheint dieſes auch, ſelbſt nach der moſaiſchen Tradition, ihr Gang geweſen zu ſeyn, da ſie zur Bildung oder vielmehr zu Ausbildung und Ent- wicklung der Geſchoͤpfe den erſten Grund legte. Die Maſ- ſe wirkender Kraͤfte und Elemente, aus der die Erde ward, enthielt wahrſcheinlich als Chaos alles, was auf ihr werden ſollte und konnte. Jn periodiſchen Zeitraͤumen entwickelte ſich aus geiſtigen und koͤrperlichen ſtaminibus die Luft, das Feuer, das Waſſer, die Erde. Mancherlei Verbindungen des Waſſers, der Luft, des Lichts mußten vorhergegangen ſein, ehe der Same der erſten Pflanzenorganiſation, etwa das Moos, hervorgehen konnte. Viele Pflanzen mußten hervor- gegangen und geſtorben ſeyn, ehe eine Thierorganiſation ward; auch bey dieſer gingen Jnſekten, Voͤgel, Waſ- ſer- und Nachtthiere den gebildetern Thieren der Erde und des Tages vor; bis endlich nach allen die Krone der Orga- niſation unſrer Erde, der Menſch, auftrat, Microcos- mus. Er, der Sohn aller Elemente und Weſen, ihr er- leſenſter Jnbegrif und gleichſam die Bluͤthe der Erdenſchoͤ- pfung C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/41
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/41>, abgerufen am 23.11.2024.