fröliches Drama spielet. Aber auch dies Hinreissen in ein Land lebhafter Jdeen zeigt eine innere Energie, bei der sich die Kraft seines Bewußtseyns, seiner Selbstbestimmung oft auf den irrigsten Wegen äußert. Nichts gewährt dem Menschen ein so eignes Gefühl seines Daseyns, als Erkennt- niß; Erkenntniß einer Wahrheit, die wir selbst errungen ha- ben, die unsrer innersten Natur ist und bei der uns oft alle Sichtbarkeit schwindet. Der Mensch vergißt sich selbst: er verliert das Maas der Zeit und seiner sinnlichen Kräfte, wenn ihn ein hoher Gedanke aufruft und er denselben ver- folget. Die scheußlichsten Qualen des Körpers haben durch eine einzige lebendige Jdee unterdrückt werden können, die damals in der Seele herrschte. Menschen, die von einem Affekt, insonderheit von dem lebhaftesten reinsten Affekt un- ter allen, der Liebe Gottes, ergriffen wurden, haben Leben und Tod nicht geachtet und sich in diesem Abgrunde aller Jdeen wie im Himmel gefühlet. Das gemeinste Werk wird uns schwer, sobald es nur der Körper verrichtet; aber die Lie- be macht uns das schwerste Geschäft leicht, sie giebt uns zur langwierigsten, entfernsten Bemühung Flügel. Räume und Zeiten verschwinden ihr: sie ist immer auf ihrem Punkt, in ihrem eignen Jdeenlande. -- Diese Natur des Geistes äußert sich auch bei den wildesten Völkern; gleich viel, wo- für sie kämpfen: sie kämpfen im Drang der Jdeen. Auch
der
froͤliches Drama ſpielet. Aber auch dies Hinreiſſen in ein Land lebhafter Jdeen zeigt eine innere Energie, bei der ſich die Kraft ſeines Bewußtſeyns, ſeiner Selbſtbeſtimmung oft auf den irrigſten Wegen aͤußert. Nichts gewaͤhrt dem Menſchen ein ſo eignes Gefuͤhl ſeines Daſeyns, als Erkennt- niß; Erkenntniß einer Wahrheit, die wir ſelbſt errungen ha- ben, die unſrer innerſten Natur iſt und bei der uns oft alle Sichtbarkeit ſchwindet. Der Menſch vergißt ſich ſelbſt: er verliert das Maas der Zeit und ſeiner ſinnlichen Kraͤfte, wenn ihn ein hoher Gedanke aufruft und er denſelben ver- folget. Die ſcheußlichſten Qualen des Koͤrpers haben durch eine einzige lebendige Jdee unterdruͤckt werden koͤnnen, die damals in der Seele herrſchte. Menſchen, die von einem Affekt, inſonderheit von dem lebhafteſten reinſten Affekt un- ter allen, der Liebe Gottes, ergriffen wurden, haben Leben und Tod nicht geachtet und ſich in dieſem Abgrunde aller Jdeen wie im Himmel gefuͤhlet. Das gemeinſte Werk wird uns ſchwer, ſobald es nur der Koͤrper verrichtet; aber die Lie- be macht uns das ſchwerſte Geſchaͤft leicht, ſie giebt uns zur langwierigſten, entfernſten Bemuͤhung Fluͤgel. Raͤume und Zeiten verſchwinden ihr: ſie iſt immer auf ihrem Punkt, in ihrem eignen Jdeenlande. — Dieſe Natur des Geiſtes aͤußert ſich auch bei den wildeſten Voͤlkern; gleich viel, wo- fuͤr ſie kaͤmpfen: ſie kaͤmpfen im Drang der Jdeen. Auch
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froͤliches Drama ſpielet. Aber auch dies Hinreiſſen in ein
Land lebhafter Jdeen zeigt eine innere Energie, bei der ſich
die Kraft ſeines Bewußtſeyns, ſeiner Selbſtbeſtimmung oft
auf den irrigſten Wegen aͤußert. Nichts gewaͤhrt dem
Menſchen ein ſo eignes Gefuͤhl ſeines Daſeyns, als Erkennt-
niß; Erkenntniß einer Wahrheit, die wir ſelbſt errungen ha-
ben, die unſrer innerſten Natur iſt und bei der uns oft alle
Sichtbarkeit ſchwindet. Der Menſch vergißt ſich ſelbſt: er
verliert das Maas der Zeit und ſeiner ſinnlichen Kraͤfte,
wenn ihn ein hoher Gedanke aufruft und er denſelben ver-
folget. Die ſcheußlichſten Qualen des Koͤrpers haben durch
eine einzige lebendige Jdee unterdruͤckt werden koͤnnen, die
damals in der Seele herrſchte. Menſchen, die von einem
Affekt, inſonderheit von dem lebhafteſten reinſten Affekt un-
ter allen, der Liebe Gottes, ergriffen wurden, haben Leben und
Tod nicht geachtet und ſich in dieſem Abgrunde aller Jdeen
wie im Himmel gefuͤhlet. Das gemeinſte Werk wird uns
ſchwer, ſobald es nur der Koͤrper verrichtet; aber die Lie-
be macht uns das ſchwerſte Geſchaͤft leicht, ſie giebt uns zur
langwierigſten, entfernſten Bemuͤhung Fluͤgel. Raͤume
und Zeiten verſchwinden ihr: ſie iſt immer auf ihrem Punkt,
in ihrem eignen Jdeenlande. — Dieſe Natur des Geiſtes
aͤußert ſich auch bei den wildeſten Voͤlkern; gleich viel, wo-
fuͤr ſie kaͤmpfen: ſie kaͤmpfen im Drang der Jdeen. Auch
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 294[274]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/296>, abgerufen am 23.11.2024.
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