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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.

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Menge, wenigstens nach ihrer Meinung, Wohlseyn und Ruhe
zu schenken; daß endlich Gotterfüllete Weise aus edlem Durst
für die Wahrheit, Freiheit und Glückseligkeit unsers
Geschlechts Schmach und Verfolgung, Armuth und Noth
willig übernahmen und an dem Gedanken vesthielten, daß sie
ihren Brüdern das edelste Gut, dessen sie fähig wären, ver-
schaft oder befördert hätten; wenn dieses Alles nicht große
Menschentugenden und die Kraftvollesten Bestrebungen der
Selbstbestimmung sind, die in uns lieget: so kenne ich
keine andre. Zwar waren nur immer wenige, die hierinn
dem großen Haufen vorgingen und ihm als Aerzte heilsam
aufzwangen, was dieser noch nicht selbst zu erwählen wußte;
eben diese wenigen aber waren die Blüthe des Menschenge-
schlechts, unsterbliche freie Göttersöhne auf Erden. Jhre
einzelnen Namen gelten statt Millionen.

V.
Der Mensch ist zur zartesten Gesundheit, zugleich
aber zur stärksten Dauer, mithin zur Aus-
breitung über die Erde organisiret.



Mit dem aufgerichteten Gange gewann der Mensch eine
Zartheit, Wärme und Stärke, die kein Thier erlangen konnte.

Jm

Menge, wenigſtens nach ihrer Meinung, Wohlſeyn und Ruhe
zu ſchenken; daß endlich Gotterfuͤllete Weiſe aus edlem Durſt
fuͤr die Wahrheit, Freiheit und Gluͤckſeligkeit unſers
Geſchlechts Schmach und Verfolgung, Armuth und Noth
willig uͤbernahmen und an dem Gedanken veſthielten, daß ſie
ihren Bruͤdern das edelſte Gut, deſſen ſie faͤhig waͤren, ver-
ſchaft oder befoͤrdert haͤtten; wenn dieſes Alles nicht große
Menſchentugenden und die Kraftvolleſten Beſtrebungen der
Selbſtbeſtimmung ſind, die in uns lieget: ſo kenne ich
keine andre. Zwar waren nur immer wenige, die hierinn
dem großen Haufen vorgingen und ihm als Aerzte heilſam
aufzwangen, was dieſer noch nicht ſelbſt zu erwaͤhlen wußte;
eben dieſe wenigen aber waren die Bluͤthe des Menſchenge-
ſchlechts, unſterbliche freie Goͤtterſoͤhne auf Erden. Jhre
einzelnen Namen gelten ſtatt Millionen.

V.
Der Menſch iſt zur zarteſten Geſundheit, zugleich
aber zur ſtaͤrkſten Dauer, mithin zur Aus-
breitung uͤber die Erde organiſiret.



Mit dem aufgerichteten Gange gewann der Menſch eine
Zartheit, Waͤrme und Staͤrke, die kein Thier erlangen konnte.

Jm
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[236[216]/0238] Menge, wenigſtens nach ihrer Meinung, Wohlſeyn und Ruhe zu ſchenken; daß endlich Gotterfuͤllete Weiſe aus edlem Durſt fuͤr die Wahrheit, Freiheit und Gluͤckſeligkeit unſers Geſchlechts Schmach und Verfolgung, Armuth und Noth willig uͤbernahmen und an dem Gedanken veſthielten, daß ſie ihren Bruͤdern das edelſte Gut, deſſen ſie faͤhig waͤren, ver- ſchaft oder befoͤrdert haͤtten; wenn dieſes Alles nicht große Menſchentugenden und die Kraftvolleſten Beſtrebungen der Selbſtbeſtimmung ſind, die in uns lieget: ſo kenne ich keine andre. Zwar waren nur immer wenige, die hierinn dem großen Haufen vorgingen und ihm als Aerzte heilſam aufzwangen, was dieſer noch nicht ſelbſt zu erwaͤhlen wußte; eben dieſe wenigen aber waren die Bluͤthe des Menſchenge- ſchlechts, unſterbliche freie Goͤtterſoͤhne auf Erden. Jhre einzelnen Namen gelten ſtatt Millionen. V. Der Menſch iſt zur zarteſten Geſundheit, zugleich aber zur ſtaͤrkſten Dauer, mithin zur Aus- breitung uͤber die Erde organiſiret. Mit dem aufgerichteten Gange gewann der Menſch eine Zartheit, Waͤrme und Staͤrke, die kein Thier erlangen konnte. Jm

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 236[216]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/238>, abgerufen am 24.11.2024.