Allerdings muß also auch in seinem Jnnern, in den Wirkungen seiner Seele, etwas Menschenähnliches seyn und die Philosophen, die ihn unter die kleinen Kunstthiere ernie- drigen wollen, verfehlen, wie mich dünkt, das Mittel der Vergleichung. Der Biber bauet, aber Jnstinktmäßig: sei- ne ganze Maschine ist dazu eingerichtet; sonst aber kann er nichts: er ist des Umganges der Menschen, der Theilneh- mung an unsern Gedanken und Leidenschaften nicht fähig. Der Affe dagegen hat keinen determinirten Jnstinkt mehr: seine Denkungskraft steht dicht am Rande der Vernunft; am armen Rande der Nachahmung. Er ahmt alles nach und muß also zu tausend Combinationen sinnlicher Jdeen in seinem Gehirn geschickt seyn, deren kein Thier fähig ist: denn weder der weise Elephant, noch der gelehrige Hund thut, was er zu thun vermag; er will sich vervollkomm- nen. Aber er kann nicht: die Thür ist zugeschlossen; die Verknüpfung fremder Jdeen zu den Seinen und gleichsam die Besitznehmung des Nachgeahmten ist seinem Gehirn un- möglich. Das Affenweib das Bontius beschrieben,besaß Schamhaftigkeit und bedeckte sich mit der Hand, wenn ein Fremder hinzutrat: sie seufzte, weinte und schien menschliche Handlungen zu verrichten. Die Affen, die Battel beschrie- ben, gehen in Gesellschaft aus, bewafnen sich mit Prügeln und verjagen den Elephanten aus ihren Bezirken: sie grei-
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Allerdings muß alſo auch in ſeinem Jnnern, in den Wirkungen ſeiner Seele, etwas Menſchenaͤhnliches ſeyn und die Philoſophen, die ihn unter die kleinen Kunſtthiere ernie- drigen wollen, verfehlen, wie mich duͤnkt, das Mittel der Vergleichung. Der Biber bauet, aber Jnſtinktmaͤßig: ſei- ne ganze Maſchine iſt dazu eingerichtet; ſonſt aber kann er nichts: er iſt des Umganges der Menſchen, der Theilneh- mung an unſern Gedanken und Leidenſchaften nicht faͤhig. Der Affe dagegen hat keinen determinirten Jnſtinkt mehr: ſeine Denkungskraft ſteht dicht am Rande der Vernunft; am armen Rande der Nachahmung. Er ahmt alles nach und muß alſo zu tauſend Combinationen ſinnlicher Jdeen in ſeinem Gehirn geſchickt ſeyn, deren kein Thier faͤhig iſt: denn weder der weiſe Elephant, noch der gelehrige Hund thut, was er zu thun vermag; er will ſich vervollkomm- nen. Aber er kann nicht: die Thuͤr iſt zugeſchloſſen; die Verknuͤpfung fremder Jdeen zu den Seinen und gleichſam die Beſitznehmung des Nachgeahmten iſt ſeinem Gehirn un- moͤglich. Das Affenweib das Bontius beſchrieben,beſaß Schamhaftigkeit und bedeckte ſich mit der Hand, wenn ein Fremder hinzutrat: ſie ſeufzte, weinte und ſchien menſchliche Handlungen zu verrichten. Die Affen, die Battel beſchrie- ben, gehen in Geſellſchaft aus, bewafnen ſich mit Pruͤgeln und verjagen den Elephanten aus ihren Bezirken: ſie grei-
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[184[164]/0186]
Allerdings muß alſo auch in ſeinem Jnnern, in den
Wirkungen ſeiner Seele, etwas Menſchenaͤhnliches ſeyn und
die Philoſophen, die ihn unter die kleinen Kunſtthiere ernie-
drigen wollen, verfehlen, wie mich duͤnkt, das Mittel der
Vergleichung. Der Biber bauet, aber Jnſtinktmaͤßig: ſei-
ne ganze Maſchine iſt dazu eingerichtet; ſonſt aber kann er
nichts: er iſt des Umganges der Menſchen, der Theilneh-
mung an unſern Gedanken und Leidenſchaften nicht faͤhig.
Der Affe dagegen hat keinen determinirten Jnſtinkt mehr:
ſeine Denkungskraft ſteht dicht am Rande der Vernunft;
am armen Rande der Nachahmung. Er ahmt alles nach
und muß alſo zu tauſend Combinationen ſinnlicher Jdeen in
ſeinem Gehirn geſchickt ſeyn, deren kein Thier faͤhig iſt:
denn weder der weiſe Elephant, noch der gelehrige Hund
thut, was er zu thun vermag; er will ſich vervollkomm-
nen. Aber er kann nicht: die Thuͤr iſt zugeſchloſſen; die
Verknuͤpfung fremder Jdeen zu den Seinen und gleichſam
die Beſitznehmung des Nachgeahmten iſt ſeinem Gehirn un-
moͤglich. Das Affenweib das Bontius beſchrieben,beſaß
Schamhaftigkeit und bedeckte ſich mit der Hand, wenn ein
Fremder hinzutrat: ſie ſeufzte, weinte und ſchien menſchliche
Handlungen zu verrichten. Die Affen, die Battel beſchrie-
ben, gehen in Geſellſchaft aus, bewafnen ſich mit Pruͤgeln
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 184[164]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/186>, abgerufen am 23.11.2024.
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