fende lang gewesen; er wäre es sicher noch und nur ein Wun- der der neuen Schöpfung hätte ihn, zu dem was er jetzt ist und wie wir ihn, aller Geschichte und Erfahrung nach, allein kennen, umgebildet.
Warum wollen wir also unerwiesne, ja völlig wider- sprechende Paradoxa annehmen, da der Bau des Menschen, die Geschichte seines Geschlechts und endlich, wie mich dünkt, die ganze Analogie der Organisation unsrer Erde uns auf et- was andres führet? Kein Geschöpf, das wir kennen, ist aus seiner ursprünglichen Organisation gegangen und hat sich ihr zuwider eine andre bereitet; da es ja nur mit den Kräften wirkte, die in seiner Organisation lagen und die Natur We- ge gnug wußte, ein jedes der Lebendigen auf dem Standpunkt vestzuhalten den sie ihm anwies. Beim Menschen ist auf die Gestalt, die er jetzt hat, alles eingerichtet; aus ihr ist in sei- ner Geschichte Alles, ohne sie nichts erklärlich und da auf diese, als auf die erhabne Göttergestalt und künstlichste Hauptschönheit der Erde auch alle Formen der Thierbildung zu convergiren scheinen, und ohne jene, so wie ohne das Reich des Menschen, die Erde ihres Schmucks und ihrer herrschenden Krone beraubt bliebe; warum wollten wir dies Diadem unsrer Erwählung in den Staub werfen und gera- de den Mittelpunkt des Kreises nicht sehen wollen, in wel-
chem
fende lang geweſen; er waͤre es ſicher noch und nur ein Wun- der der neuen Schoͤpfung haͤtte ihn, zu dem was er jetzt iſt und wie wir ihn, aller Geſchichte und Erfahrung nach, allein kennen, umgebildet.
Warum wollen wir alſo unerwieſne, ja voͤllig wider- ſprechende Paradoxa annehmen, da der Bau des Menſchen, die Geſchichte ſeines Geſchlechts und endlich, wie mich duͤnkt, die ganze Analogie der Organiſation unſrer Erde uns auf et- was andres fuͤhret? Kein Geſchoͤpf, das wir kennen, iſt aus ſeiner urſpruͤnglichen Organiſation gegangen und hat ſich ihr zuwider eine andre bereitet; da es ja nur mit den Kraͤften wirkte, die in ſeiner Organiſation lagen und die Natur We- ge gnug wußte, ein jedes der Lebendigen auf dem Standpunkt veſtzuhalten den ſie ihm anwies. Beim Menſchen iſt auf die Geſtalt, die er jetzt hat, alles eingerichtet; aus ihr iſt in ſei- ner Geſchichte Alles, ohne ſie nichts erklaͤrlich und da auf dieſe, als auf die erhabne Goͤttergeſtalt und kuͤnſtlichſte Hauptſchoͤnheit der Erde auch alle Formen der Thierbildung zu convergiren ſcheinen, und ohne jene, ſo wie ohne das Reich des Menſchen, die Erde ihres Schmucks und ihrer herrſchenden Krone beraubt bliebe; warum wollten wir dies Diadem unſrer Erwaͤhlung in den Staub werfen und gera- de den Mittelpunkt des Kreiſes nicht ſehen wollen, in wel-
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[179[159]/0181]
fende lang geweſen; er waͤre es ſicher noch und nur ein Wun-
der der neuen Schoͤpfung haͤtte ihn, zu dem was er jetzt iſt
und wie wir ihn, aller Geſchichte und Erfahrung nach, allein
kennen, umgebildet.
Warum wollen wir alſo unerwieſne, ja voͤllig wider-
ſprechende Paradoxa annehmen, da der Bau des Menſchen,
die Geſchichte ſeines Geſchlechts und endlich, wie mich duͤnkt,
die ganze Analogie der Organiſation unſrer Erde uns auf et-
was andres fuͤhret? Kein Geſchoͤpf, das wir kennen, iſt aus
ſeiner urſpruͤnglichen Organiſation gegangen und hat ſich ihr
zuwider eine andre bereitet; da es ja nur mit den Kraͤften
wirkte, die in ſeiner Organiſation lagen und die Natur We-
ge gnug wußte, ein jedes der Lebendigen auf dem Standpunkt
veſtzuhalten den ſie ihm anwies. Beim Menſchen iſt auf die
Geſtalt, die er jetzt hat, alles eingerichtet; aus ihr iſt in ſei-
ner Geſchichte Alles, ohne ſie nichts erklaͤrlich und da auf
dieſe, als auf die erhabne Goͤttergeſtalt und kuͤnſtlichſte
Hauptſchoͤnheit der Erde auch alle Formen der Thierbildung
zu convergiren ſcheinen, und ohne jene, ſo wie ohne das
Reich des Menſchen, die Erde ihres Schmucks und ihrer
herrſchenden Krone beraubt bliebe; warum wollten wir dies
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 179[159]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/181>, abgerufen am 22.11.2024.
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