Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.der Raupe giengen Füsse weg, die der Schmetterling nicht 6. Jn-
der Raupe giengen Fuͤſſe weg, die der Schmetterling nicht 6. Jn-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0168" n="166[146]"/> der Raupe giengen Fuͤſſe weg, die der Schmetterling nicht<lb/> mehr bedurfte: die vielen Fuͤſſe der Jnſekten, ihre mehreren<lb/> und vielfachern Augen, ihre Fuͤhlhoͤrner und mancherlei an-<lb/> dre kleine Ruͤſtwerkzeuge verlieren ſich bei den hoͤhern Ge-<lb/> ſchoͤpfen. Bei jenen war im Kopf wenig Gehirn: dies lag<lb/> im Ruͤckenmark laͤngs hinunter und jedes Nervenknoͤtchen<lb/> war ein neuer Mittelpunkt der Empfindung. Die Seele<lb/> des kleinen Kunſtgeſchoͤpfs war alſo in ſein ganzes Weſen gebrei-<lb/> tet. Je mehr das Geſchoͤpf an Willkuͤhr und Verſtandes-<lb/> aͤhnlichkeit wachſen ſoll: deſto groͤßer und Hirnreicher wird<lb/> der Kopf: die drei Haupttheile des Leibes treten in mehrere<lb/> Proportion gegen einander, da ſie bei Jnſekten, Wuͤrmern u. f.<lb/> noch gar Verhaͤltnislos waren. Mit welchen großen maͤch-<lb/> tigen Schwaͤnzen ſchleppen ſich noch die Amphibien ans Land:<lb/> ihre Fuͤſſe ſtehn unfoͤrmlich aus einander. Jn Landthieren hebt<lb/> die Natur das Geſchoͤpf: die Fuͤße werden hoͤher und ruͤcken<lb/> mehr zuſammen. Der Schwanz mit ſeinen fortgeſetzten<lb/> Ruͤckenwirbeln ſchmaͤlert und kuͤrzt ſich; er verliert die gro-<lb/> ben Muskelkraͤfte des Krokodills und wird biegſamer, feiner,<lb/> bis er ſich bei edlern Thieren gar nur in einen haarigen<lb/> Schweif aͤndert und die Natur ihn zuletzt, indem ſie ſich der<lb/> aufrechten Geſtalt naͤhert, gar wegwirft. Sie hat das Mark<lb/> deſſelben hoͤher hinauf geleitet und an edlere Theile verwendet.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">6. Jn-</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [166[146]/0168]
der Raupe giengen Fuͤſſe weg, die der Schmetterling nicht
mehr bedurfte: die vielen Fuͤſſe der Jnſekten, ihre mehreren
und vielfachern Augen, ihre Fuͤhlhoͤrner und mancherlei an-
dre kleine Ruͤſtwerkzeuge verlieren ſich bei den hoͤhern Ge-
ſchoͤpfen. Bei jenen war im Kopf wenig Gehirn: dies lag
im Ruͤckenmark laͤngs hinunter und jedes Nervenknoͤtchen
war ein neuer Mittelpunkt der Empfindung. Die Seele
des kleinen Kunſtgeſchoͤpfs war alſo in ſein ganzes Weſen gebrei-
tet. Je mehr das Geſchoͤpf an Willkuͤhr und Verſtandes-
aͤhnlichkeit wachſen ſoll: deſto groͤßer und Hirnreicher wird
der Kopf: die drei Haupttheile des Leibes treten in mehrere
Proportion gegen einander, da ſie bei Jnſekten, Wuͤrmern u. f.
noch gar Verhaͤltnislos waren. Mit welchen großen maͤch-
tigen Schwaͤnzen ſchleppen ſich noch die Amphibien ans Land:
ihre Fuͤſſe ſtehn unfoͤrmlich aus einander. Jn Landthieren hebt
die Natur das Geſchoͤpf: die Fuͤße werden hoͤher und ruͤcken
mehr zuſammen. Der Schwanz mit ſeinen fortgeſetzten
Ruͤckenwirbeln ſchmaͤlert und kuͤrzt ſich; er verliert die gro-
ben Muskelkraͤfte des Krokodills und wird biegſamer, feiner,
bis er ſich bei edlern Thieren gar nur in einen haarigen
Schweif aͤndert und die Natur ihn zuletzt, indem ſie ſich der
aufrechten Geſtalt naͤhert, gar wegwirft. Sie hat das Mark
deſſelben hoͤher hinauf geleitet und an edlere Theile verwendet.
6. Jn-
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