Die Republik der Biene sagt nichts anders. Die ver- schiedenen Gattungen derselben sind jede zu ihrem Zweck ge- bildet und sie sind in Gemeinschaft, weil keine Gattung ohne die andre leben könnte. Die Arbeitsbienen sind zum Honig- sammlen und zum Bau der Cellen organisiret. Sie samm- len jenen, wie jedes Thier seine Speise sucht; ja wenn es seine Lebensart fodert, sie sich zum Vorrath zusammenträgt und ordnet. Sie bauen die Cellen, wie so viel andre Thiere sich ihre Wohnungen bauen, jedes auf seine Weise. Sie nähren, da sie Geschlechtlos sind, die Jungen des Bienen- stocks, wie andre ihre eignen Jungen nähren und tödten die Drohnen, wie jedes Thier ein andres tödtet, das ihm seinen Vorrath raubt und seinem Hause zur Last fällt. Wie dies alles nicht ohne Sinn und Gefühl geschehen kann: so ist es indessen doch nur Bienensinn, Bienengefühl; weder der bloße Mechanismus, den Buffon; noch die entwickelte ma- thematisch-politische Vernunft, die andre ihnen angedichtet haben. Jhre Seele ist in diese Organisation eingeschlossen und mit ihr innig verwebet. Sie wirkt also derselben ge- mäß: künstlich und fein, aber enge und in einem sehr kleinen Kreise. Der Bienenstock ist ihre Welt und das Geschäft desselben hat der Schöpfer noch durch eine dreifache Organi- sation dreifach vertheilet.
Auch
Die Republik der Biene ſagt nichts anders. Die ver- ſchiedenen Gattungen derſelben ſind jede zu ihrem Zweck ge- bildet und ſie ſind in Gemeinſchaft, weil keine Gattung ohne die andre leben koͤnnte. Die Arbeitsbienen ſind zum Honig- ſammlen und zum Bau der Cellen organiſiret. Sie ſamm- len jenen, wie jedes Thier ſeine Speiſe ſucht; ja wenn es ſeine Lebensart fodert, ſie ſich zum Vorrath zuſammentraͤgt und ordnet. Sie bauen die Cellen, wie ſo viel andre Thiere ſich ihre Wohnungen bauen, jedes auf ſeine Weiſe. Sie naͤhren, da ſie Geſchlechtlos ſind, die Jungen des Bienen- ſtocks, wie andre ihre eignen Jungen naͤhren und toͤdten die Drohnen, wie jedes Thier ein andres toͤdtet, das ihm ſeinen Vorrath raubt und ſeinem Hauſe zur Laſt faͤllt. Wie dies alles nicht ohne Sinn und Gefuͤhl geſchehen kann: ſo iſt es indeſſen doch nur Bienenſinn, Bienengefuͤhl; weder der bloße Mechaniſmus, den Buffon; noch die entwickelte ma- thematiſch-politiſche Vernunft, die andre ihnen angedichtet haben. Jhre Seele iſt in dieſe Organiſation eingeſchloſſen und mit ihr innig verwebet. Sie wirkt alſo derſelben ge- maͤß: kuͤnſtlich und fein, aber enge und in einem ſehr kleinen Kreiſe. Der Bienenſtock iſt ihre Welt und das Geſchaͤft deſſelben hat der Schoͤpfer noch durch eine dreifache Organi- ſation dreifach vertheilet.
Auch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0162"n="140"/><p>Die Republik der Biene ſagt nichts anders. Die ver-<lb/>ſchiedenen Gattungen derſelben ſind jede zu ihrem Zweck ge-<lb/>
bildet und ſie ſind in Gemeinſchaft, weil keine Gattung ohne<lb/>
die andre leben koͤnnte. Die Arbeitsbienen ſind zum Honig-<lb/>ſammlen und zum Bau der Cellen organiſiret. Sie ſamm-<lb/>
len jenen, wie jedes Thier ſeine Speiſe ſucht; ja wenn es<lb/>ſeine Lebensart fodert, ſie ſich zum Vorrath zuſammentraͤgt<lb/>
und ordnet. Sie bauen die Cellen, wie ſo viel andre Thiere<lb/>ſich ihre Wohnungen bauen, jedes auf ſeine Weiſe. Sie<lb/>
naͤhren, da ſie Geſchlechtlos ſind, die Jungen des Bienen-<lb/>ſtocks, wie andre ihre eignen Jungen naͤhren und toͤdten die<lb/>
Drohnen, wie jedes Thier ein andres toͤdtet, das ihm ſeinen<lb/>
Vorrath raubt und ſeinem Hauſe zur Laſt faͤllt. Wie dies<lb/>
alles nicht ohne Sinn und Gefuͤhl geſchehen kann: ſo iſt es<lb/>
indeſſen doch nur Bienenſinn, Bienengefuͤhl; weder der<lb/>
bloße Mechaniſmus, den <hirendition="#fr">Buffon</hi>; noch die entwickelte ma-<lb/>
thematiſch-politiſche Vernunft, die andre ihnen angedichtet<lb/>
haben. Jhre Seele iſt in dieſe Organiſation eingeſchloſſen<lb/>
und mit ihr innig verwebet. Sie wirkt alſo derſelben ge-<lb/>
maͤß: kuͤnſtlich und fein, aber enge und in einem ſehr kleinen<lb/>
Kreiſe. Der Bienenſtock iſt ihre Welt und das Geſchaͤft<lb/>
deſſelben hat der Schoͤpfer noch durch eine dreifache Organi-<lb/>ſation dreifach vertheilet.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Auch</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[140/0162]
Die Republik der Biene ſagt nichts anders. Die ver-
ſchiedenen Gattungen derſelben ſind jede zu ihrem Zweck ge-
bildet und ſie ſind in Gemeinſchaft, weil keine Gattung ohne
die andre leben koͤnnte. Die Arbeitsbienen ſind zum Honig-
ſammlen und zum Bau der Cellen organiſiret. Sie ſamm-
len jenen, wie jedes Thier ſeine Speiſe ſucht; ja wenn es
ſeine Lebensart fodert, ſie ſich zum Vorrath zuſammentraͤgt
und ordnet. Sie bauen die Cellen, wie ſo viel andre Thiere
ſich ihre Wohnungen bauen, jedes auf ſeine Weiſe. Sie
naͤhren, da ſie Geſchlechtlos ſind, die Jungen des Bienen-
ſtocks, wie andre ihre eignen Jungen naͤhren und toͤdten die
Drohnen, wie jedes Thier ein andres toͤdtet, das ihm ſeinen
Vorrath raubt und ſeinem Hauſe zur Laſt faͤllt. Wie dies
alles nicht ohne Sinn und Gefuͤhl geſchehen kann: ſo iſt es
indeſſen doch nur Bienenſinn, Bienengefuͤhl; weder der
bloße Mechaniſmus, den Buffon; noch die entwickelte ma-
thematiſch-politiſche Vernunft, die andre ihnen angedichtet
haben. Jhre Seele iſt in dieſe Organiſation eingeſchloſſen
und mit ihr innig verwebet. Sie wirkt alſo derſelben ge-
maͤß: kuͤnſtlich und fein, aber enge und in einem ſehr kleinen
Kreiſe. Der Bienenſtock iſt ihre Welt und das Geſchaͤft
deſſelben hat der Schoͤpfer noch durch eine dreifache Organi-
ſation dreifach vertheilet.
Auch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/162>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.