seiner Bestimmung dem angeführten Bildungsprincipium treu: es sind Zoophyten und Jnsekten. Der Polyp ist sei- nem Bau nach, nichts als eine belebte organische Röhre jun- ger Polypen: das Korallengewächs ein organisches Haus eigner Seethiere; das Jnsekt endlich, das weit über jenen steht, weil es schon in einem feinern Medium lebet, zeiget dennoch in seiner Organisation sowohl als in seinem Leben die nahe Grenze jener Pflanzenbestimmung. Sein Kopf ist klein und ohne Gehirn; selbst zu einigen nothdürftigen Sin- nen war in ihm nicht Raum: daher es sie auf Fühlhörnern vor sich herträget. Seine Brust ist klein; daher ihnen die Lunge und vielen auch das kleinste Analogon des Herzens fehlet. Der Hinterleib aber, in seinen Pflanzenartigen Rin- gen, wie groß und weit ist er! Er ist noch der herrschende Theil des Thiers *), so wie die Hauptbestimmung desselben Nahrung und zahlreiche Fortpflanzung.
Bei Thieren edlerer Art legte die Natur, wie gesagt worden, die Werkzeuge der Fortpflanzung, als ob sie sich ih- rer zu schämen anfinge, tiefer hinab: sie gab einem Theil mehrere sogar die ungleichsten Verrichtungen und gewann da-
mit
*) Viele dieser Geschöpfe holen noch durch ihn Othem: auf ihm läuft, statt des Herzens, die Pulsader hinab: sie bohren sich mit demselben ein u. f.
ſeiner Beſtimmung dem angefuͤhrten Bildungsprincipium treu: es ſind Zoophyten und Jnſekten. Der Polyp iſt ſei- nem Bau nach, nichts als eine belebte organiſche Roͤhre jun- ger Polypen: das Korallengewaͤchs ein organiſches Haus eigner Seethiere; das Jnſekt endlich, das weit uͤber jenen ſteht, weil es ſchon in einem feinern Medium lebet, zeiget dennoch in ſeiner Organiſation ſowohl als in ſeinem Leben die nahe Grenze jener Pflanzenbeſtimmung. Sein Kopf iſt klein und ohne Gehirn; ſelbſt zu einigen nothduͤrftigen Sin- nen war in ihm nicht Raum: daher es ſie auf Fuͤhlhoͤrnern vor ſich hertraͤget. Seine Bruſt iſt klein; daher ihnen die Lunge und vielen auch das kleinſte Analogon des Herzens fehlet. Der Hinterleib aber, in ſeinen Pflanzenartigen Rin- gen, wie groß und weit iſt er! Er iſt noch der herrſchende Theil des Thiers *), ſo wie die Hauptbeſtimmung deſſelben Nahrung und zahlreiche Fortpflanzung.
Bei Thieren edlerer Art legte die Natur, wie geſagt worden, die Werkzeuge der Fortpflanzung, als ob ſie ſich ih- rer zu ſchaͤmen anfinge, tiefer hinab: ſie gab einem Theil mehrere ſogar die ungleichſten Verrichtungen und gewann da-
mit
*) Viele dieſer Geſchoͤpfe holen noch durch ihn Othem: auf ihm laͤuft, ſtatt des Herzens, die Pulsader hinab: ſie bohren ſich mit demſelben ein u. f.
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ſeiner Beſtimmung dem angefuͤhrten Bildungsprincipium
treu: es ſind Zoophyten und Jnſekten. Der Polyp iſt ſei-
nem Bau nach, nichts als eine belebte organiſche Roͤhre jun-
ger Polypen: das Korallengewaͤchs ein organiſches Haus
eigner Seethiere; das Jnſekt endlich, das weit uͤber jenen
ſteht, weil es ſchon in einem feinern Medium lebet, zeiget
dennoch in ſeiner Organiſation ſowohl als in ſeinem Leben
die nahe Grenze jener Pflanzenbeſtimmung. Sein Kopf iſt
klein und ohne Gehirn; ſelbſt zu einigen nothduͤrftigen Sin-
nen war in ihm nicht Raum: daher es ſie auf Fuͤhlhoͤrnern
vor ſich hertraͤget. Seine Bruſt iſt klein; daher ihnen die
Lunge und vielen auch das kleinſte Analogon des Herzens
fehlet. Der Hinterleib aber, in ſeinen Pflanzenartigen Rin-
gen, wie groß und weit iſt er! Er iſt noch der herrſchende
Theil des Thiers *), ſo wie die Hauptbeſtimmung deſſelben
Nahrung und zahlreiche Fortpflanzung.
Bei Thieren edlerer Art legte die Natur, wie geſagt
worden, die Werkzeuge der Fortpflanzung, als ob ſie ſich ih-
rer zu ſchaͤmen anfinge, tiefer hinab: ſie gab einem Theil
mehrere ſogar die ungleichſten Verrichtungen und gewann da-
mit
*) Viele dieſer Geſchoͤpfe holen noch durch ihn Othem: auf ihm
laͤuft, ſtatt des Herzens, die Pulsader hinab: ſie bohren ſich
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/124>, abgerufen am 23.11.2024.
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