Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.Bild und Feuer, Lehre und That auf Einmal Sie glauben doch nicht, daß ich hiemit eine je
Bild und Feuer, Lehre und That auf Einmal Sie glauben doch nicht, daß ich hiemit eine je
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0070" n="66"/> Bild und Feuer, Lehre und That auf Einmal<lb/> in Herz und Seele geworfen wird.</p><lb/> <p>Sie glauben doch nicht, daß ich hiemit eine<lb/> Schutzſchrift etwa fuͤr die <hi rendition="#fr">Klopſtockiſchen</hi><lb/> Lieder ſchreiben wolle? Jch glaube ſehr gerne,<lb/> daß auch ſie nicht immer <hi rendition="#fr">Lieder des Volks</hi><lb/> ſind, und daß ſie ſeltner ganze Gegenſtaͤnde,<lb/> als kleine Zuͤge aus dieſen Gegenſtaͤnden, ſelt-<lb/> ner ganze Pflichten, Thaten und Geſtalten des<lb/> Herzens, als feine Nuͤancen, oft Mittelnuͤan-<lb/> cen von Empfindungen beſingen, daß alſo ein<lb/> ſehr ſympathetiſcher, und zu gewiſſen Vorſtel-<lb/> lungen ſehr zugebildeter Charakter zum ganzen<lb/> Saͤnger ſeiner Lieder gehoͤre. Aber dem ohn-<lb/> geachtet iſt das, was viele ſonſt gegen ihn ſag-<lb/> ten, und noch mehr, was man ihm entgegen<lb/> ſtellet, ſo trocken, ſo mager, ſo unkundig der<lb/> menſchlichen Seele, daß ich immer wetten will,<lb/> das kuͤhnſte Klopſtockiſche Lied, voll Spruͤnge<lb/> und Jnverſionen, einem Kinde beygebracht,<lb/> und von ihm einigemal lebendig geſungen,<lb/> werde mehr fuͤr ihn ſeyn, und tiefer und ewiger<lb/> in ihm bleiben, als der dogmatiſchte Locus von<lb/> Liede, wo ja keine Zwiſchenpartikel und Zwi-<lb/> ſchengedanke ausgelaſſen iſt. — Mein Gott!<lb/> wie trocken und duͤrre ſtellen ſich doch manche<lb/> Leute die menſchliche Seele, die Seele eines<lb/> Kindes vor! Und was fuͤr ein groſſes, trefli-<lb/> ches Jdeal waͤre mir dieſelbe, wenn ich mich<lb/> <fw place="bottom" type="catch">je</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [66/0070]
Bild und Feuer, Lehre und That auf Einmal
in Herz und Seele geworfen wird.
Sie glauben doch nicht, daß ich hiemit eine
Schutzſchrift etwa fuͤr die Klopſtockiſchen
Lieder ſchreiben wolle? Jch glaube ſehr gerne,
daß auch ſie nicht immer Lieder des Volks
ſind, und daß ſie ſeltner ganze Gegenſtaͤnde,
als kleine Zuͤge aus dieſen Gegenſtaͤnden, ſelt-
ner ganze Pflichten, Thaten und Geſtalten des
Herzens, als feine Nuͤancen, oft Mittelnuͤan-
cen von Empfindungen beſingen, daß alſo ein
ſehr ſympathetiſcher, und zu gewiſſen Vorſtel-
lungen ſehr zugebildeter Charakter zum ganzen
Saͤnger ſeiner Lieder gehoͤre. Aber dem ohn-
geachtet iſt das, was viele ſonſt gegen ihn ſag-
ten, und noch mehr, was man ihm entgegen
ſtellet, ſo trocken, ſo mager, ſo unkundig der
menſchlichen Seele, daß ich immer wetten will,
das kuͤhnſte Klopſtockiſche Lied, voll Spruͤnge
und Jnverſionen, einem Kinde beygebracht,
und von ihm einigemal lebendig geſungen,
werde mehr fuͤr ihn ſeyn, und tiefer und ewiger
in ihm bleiben, als der dogmatiſchte Locus von
Liede, wo ja keine Zwiſchenpartikel und Zwi-
ſchengedanke ausgelaſſen iſt. — Mein Gott!
wie trocken und duͤrre ſtellen ſich doch manche
Leute die menſchliche Seele, die Seele eines
Kindes vor! Und was fuͤr ein groſſes, trefli-
ches Jdeal waͤre mir dieſelbe, wenn ich mich
je
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