Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.

Bild:
<< vorherige Seite

ber auf dem Angesicht und schluchzen und wei-
nen in der Stille; und der Vater, Sohn oder
nächste Verwandte fängt mit heulender Stim-
me an:

"Wehe mir, daß ich deinen Sitz ansehen soll,
"der nun leer ist! Deine Mutter bemühet sich
"vergebens, dir die Kleider zu trocknen!

"Siehe! meine Freude ist ins Finstre ge-
"gangen, und in den Berg verkrochen.

"Ehedem ging ich des Abends aus, und
"freute mich: ich streckte meine Angen aus,
"und wartete auf dein Kommen.

"Siehe du kamst! du kamst muthig ange-
"rudert mit Jungen und Alten.

"Du kamst nie leer von der See: dein Ka-
"jack war stets mit Seehunden oder Vögeln
"beladen.

"Deine Mutter machte Feuer und kochte.
"Von dem Gekochten, das du erworben hartest,
"ließ deine Mutter den übrigen Leuten vorle-
"gen, und ich nahm mir auch ein Stück.

"Du sahest der Schaluppe rothen Wimpel
"von weiten, und ruftest: da kommt Lars
"(der Kaufmann.)

"Du liefst an den Strand und hieltst das
"Vordertheil der Schaluppe.

"Denn brachtest du deine Seehunde hervor,
"von welchen deine Mutter den Speck abnahm,
"und dafür bekamst du Hemde und Pfeileisen.

"Aber

ber auf dem Angeſicht und ſchluchzen und wei-
nen in der Stille; und der Vater, Sohn oder
naͤchſte Verwandte faͤngt mit heulender Stim-
me an:

„Wehe mir, daß ich deinen Sitz anſehen ſoll,
„der nun leer iſt! Deine Mutter bemuͤhet ſich
„vergebens, dir die Kleider zu trocknen!

„Siehe! meine Freude iſt ins Finſtre ge-
„gangen, und in den Berg verkrochen.

„Ehedem ging ich des Abends aus, und
„freute mich: ich ſtreckte meine Angen aus,
„und wartete auf dein Kommen.

„Siehe du kamſt! du kamſt muthig ange-
„rudert mit Jungen und Alten.

„Du kamſt nie leer von der See: dein Ka-
„jack war ſtets mit Seehunden oder Voͤgeln
„beladen.

„Deine Mutter machte Feuer und kochte.
„Von dem Gekochten, das du erworben harteſt,
„ließ deine Mutter den uͤbrigen Leuten vorle-
„gen, und ich nahm mir auch ein Stuͤck.

„Du ſaheſt der Schaluppe rothen Wimpel
„von weiten, und rufteſt: da kommt Lars
„(der Kaufmann.)

„Du liefſt an den Strand und hieltſt das
„Vordertheil der Schaluppe.

„Denn brachteſt du deine Seehunde hervor,
„von welchen deine Mutter den Speck abnahm,
„und dafuͤr bekamſt du Hemde und Pfeileiſen.

„Aber
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0065" n="61"/>
ber auf dem Ange&#x017F;icht und &#x017F;chluchzen und wei-<lb/>
nen in der Stille; und der Vater, Sohn oder<lb/>
na&#x0364;ch&#x017F;te Verwandte fa&#x0364;ngt mit heulender Stim-<lb/>
me an:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wehe mir, daß ich deinen Sitz an&#x017F;ehen &#x017F;oll,<lb/>
&#x201E;der nun leer i&#x017F;t! Deine Mutter bemu&#x0364;het &#x017F;ich<lb/>
&#x201E;vergebens, dir die Kleider zu trocknen!</p><lb/>
        <p>&#x201E;Siehe! meine Freude i&#x017F;t ins Fin&#x017F;tre ge-<lb/>
&#x201E;gangen, und in den Berg verkrochen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ehedem ging ich des Abends aus, und<lb/>
&#x201E;freute mich: ich &#x017F;treckte meine Angen aus,<lb/>
&#x201E;und wartete auf dein Kommen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Siehe du kam&#x017F;t! du kam&#x017F;t muthig ange-<lb/>
&#x201E;rudert mit Jungen und Alten.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du kam&#x017F;t nie leer von der See: dein Ka-<lb/>
&#x201E;jack war &#x017F;tets mit Seehunden oder Vo&#x0364;geln<lb/>
&#x201E;beladen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Deine Mutter machte Feuer und kochte.<lb/>
&#x201E;Von dem Gekochten, das du erworben harte&#x017F;t,<lb/>
&#x201E;ließ deine Mutter den u&#x0364;brigen Leuten vorle-<lb/>
&#x201E;gen, und ich nahm mir auch ein Stu&#x0364;ck.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du &#x017F;ahe&#x017F;t der Schaluppe rothen Wimpel<lb/>
&#x201E;von weiten, und rufte&#x017F;t: da kommt <hi rendition="#fr">Lars</hi><lb/>
&#x201E;(der Kaufmann.)</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du lief&#x017F;t an den Strand und hielt&#x017F;t das<lb/>
&#x201E;Vordertheil der Schaluppe.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Denn brachte&#x017F;t du deine Seehunde hervor,<lb/>
&#x201E;von welchen deine Mutter den Speck abnahm,<lb/>
&#x201E;und dafu&#x0364;r bekam&#x017F;t du Hemde und Pfeilei&#x017F;en.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Aber</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0065] ber auf dem Angeſicht und ſchluchzen und wei- nen in der Stille; und der Vater, Sohn oder naͤchſte Verwandte faͤngt mit heulender Stim- me an: „Wehe mir, daß ich deinen Sitz anſehen ſoll, „der nun leer iſt! Deine Mutter bemuͤhet ſich „vergebens, dir die Kleider zu trocknen! „Siehe! meine Freude iſt ins Finſtre ge- „gangen, und in den Berg verkrochen. „Ehedem ging ich des Abends aus, und „freute mich: ich ſtreckte meine Angen aus, „und wartete auf dein Kommen. „Siehe du kamſt! du kamſt muthig ange- „rudert mit Jungen und Alten. „Du kamſt nie leer von der See: dein Ka- „jack war ſtets mit Seehunden oder Voͤgeln „beladen. „Deine Mutter machte Feuer und kochte. „Von dem Gekochten, das du erworben harteſt, „ließ deine Mutter den uͤbrigen Leuten vorle- „gen, und ich nahm mir auch ein Stuͤck. „Du ſaheſt der Schaluppe rothen Wimpel „von weiten, und rufteſt: da kommt Lars „(der Kaufmann.) „Du liefſt an den Strand und hieltſt das „Vordertheil der Schaluppe. „Denn brachteſt du deine Seehunde hervor, „von welchen deine Mutter den Speck abnahm, „und dafuͤr bekamſt du Hemde und Pfeileiſen. „Aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/65
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/65>, abgerufen am 24.11.2024.