Es sah' ein Knab' ein Rößlein stehn Ein Rößlein auf der Heiden. Er sah, es war so frisch und schön Und blieb stehn, es anzusehen Und stand in süssen Freuden.
Jch supplire diese Reihe nur aus dem Gedächt- niß, und nun folgt das kindische Ritornellbey jeder Strophe:
Rößlein, Rößlein, Rößlein roth, Rößlein auf der Heiden! Der Knabe sprach: ich breche dich! Rößlein etc. Das Rößlein sprach: ich steche dich, Daß du ewig denkst an mich Daß ichs nicht will leiden! Rößlein etc. Jedoch der wilde Knabe brach, Das Rößlein etc. Das Rößlein wehrte sich und stach, Aber er vergaß darnach Beym Genuß das Leiden! Rößlein rc
Jst das nicht Kinderton? Und noch muß ich Jhnen Eine Aenderung des lebendigen Gesan- ges melden. Der Vorschlag thut bey den Liedern des Volks eine so grosse und gute Wür- kung, daß ich aus Deutschen und Englischen alten Stücken sehe, wie viel die Minstrels darauf gehalten: und der ist nun noch im Deut- schen wie im Englischen in den Volksliedern meistens der dunkle Laut von the in beydem Geschlecht (de Knabe) 's statt das ('s Röß-
lein)
D 5
Fabelliedchen.
Es ſah’ ein Knab’ ein Roͤßlein ſtehn Ein Roͤßlein auf der Heiden. Er ſah, es war ſo friſch und ſchoͤn Und blieb ſtehn, es anzuſehen Und ſtand in ſuͤſſen Freuden.
Jch ſupplire dieſe Reihe nur aus dem Gedaͤcht- niß, und nun folgt das kindiſche Ritornellbey jeder Strophe:
Roͤßlein, Roͤßlein, Roͤßlein roth, Roͤßlein auf der Heiden! Der Knabe ſprach: ich breche dich! Roͤßlein ꝛc. Das Roͤßlein ſprach: ich ſteche dich, Daß du ewig denkſt an mich Daß ichs nicht will leiden! Roͤßlein ꝛc. Jedoch der wilde Knabe brach, Das Roͤßlein ꝛc. Das Roͤßlein wehrte ſich und ſtach, Aber er vergaß darnach Beym Genuß das Leiden! Roͤßlein ꝛc
Jſt das nicht Kinderton? Und noch muß ich Jhnen Eine Aenderung des lebendigen Geſan- ges melden. Der Vorſchlag thut bey den Liedern des Volks eine ſo groſſe und gute Wuͤr- kung, daß ich aus Deutſchen und Engliſchen alten Stuͤcken ſehe, wie viel die Minſtrels darauf gehalten: und der iſt nun noch im Deut- ſchen wie im Engliſchen in den Volksliedern meiſtens der dunkle Laut von the in beydem Geſchlecht (de Knabe) ’s ſtatt das (’s Roͤß-
lein)
D 5
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Fabelliedchen.
Es ſah’ ein Knab’ ein Roͤßlein ſtehn
Ein Roͤßlein auf der Heiden.
Er ſah, es war ſo friſch und ſchoͤn
Und blieb ſtehn, es anzuſehen
Und ſtand in ſuͤſſen Freuden.
Jch ſupplire dieſe Reihe nur aus dem Gedaͤcht-
niß, und nun folgt das kindiſche Ritornellbey
jeder Strophe:
Roͤßlein, Roͤßlein, Roͤßlein roth,
Roͤßlein auf der Heiden!
Der Knabe ſprach: ich breche dich!
Roͤßlein ꝛc.
Das Roͤßlein ſprach: ich ſteche dich,
Daß du ewig denkſt an mich
Daß ichs nicht will leiden! Roͤßlein ꝛc.
Jedoch der wilde Knabe brach,
Das Roͤßlein ꝛc.
Das Roͤßlein wehrte ſich und ſtach,
Aber er vergaß darnach
Beym Genuß das Leiden! Roͤßlein ꝛc
Jſt das nicht Kinderton? Und noch muß ich
Jhnen Eine Aenderung des lebendigen Geſan-
ges melden. Der Vorſchlag thut bey den
Liedern des Volks eine ſo groſſe und gute Wuͤr-
kung, daß ich aus Deutſchen und Engliſchen
alten Stuͤcken ſehe, wie viel die Minſtrels
darauf gehalten: und der iſt nun noch im Deut-
ſchen wie im Engliſchen in den Volksliedern
meiſtens der dunkle Laut von the in beydem
Geſchlecht (de Knabe) ’s ſtatt das (’s Roͤß-
lein)
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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/61>, abgerufen am 15.08.2024.
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