ziehen, -- in Theilen und im Ganzen! Die Herrn, die so bürgerlich feist wohlmeinend achten, daß jener Titel und dieser Kragen doch das Ding verstehen müßte -- Dieweil er hat zwey Ohren groß So kann er freylich hören baß! Die Herren, die aus Stumpfsinn, und Ge- dankenlosigkeit gleich über jeden etwas gedräng- ten oder lebhaften Styl schreyen, "ey nicht "griechische Lauterkeit! Ciceronische Wohlberedt- "heit im ellenlangen Deutschlateinischen Perio- den! so voll Anspielungen, voll Bilder, voll Gedanken -- sonst aber freylich - - - kurz: Der Esel sprach: du machst mirs kraus, Jch kanns in Kopf nicht bringen -- Aber Kukuk singt gut Choral Und hält den Tackt fein inne! -- Was liessen sich sonst noch vor Deutungen machen, wenn man etwas die Welt kennet? -- Aber zu unserm Zweck: wie fest und tief er- zählt! Ohne erzwungne Lustigkeit und doch wie lustig und stark und treffend in jedem Wort, in jeder Wendung! -- Aller guten Dinge sind drey! und zu unsern Zeiten wird so viel von Liedern für Kinder gesprochen: wollen Sie ein älteres Deutsches hören? Es enthält zwar keine transcendente Weisheit und Mo- ral, mit der die Kinder zeitig genug überhäuft werden -- es nichts als ein kindisches
Fabel-
ziehen, — in Theilen und im Ganzen! Die Herrn, die ſo buͤrgerlich feiſt wohlmeinend achten, daß jener Titel und dieſer Kragen doch das Ding verſtehen muͤßte — Dieweil er hat zwey Ohren groß So kann er freylich hoͤren baß! Die Herren, die aus Stumpfſinn, und Ge- dankenloſigkeit gleich uͤber jeden etwas gedraͤng- ten oder lebhaften Styl ſchreyen, „ey nicht „griechiſche Lauterkeit! Ciceroniſche Wohlberedt- „heit im ellenlangen Deutſchlateiniſchen Perio- den! ſo voll Anſpielungen, voll Bilder, voll Gedanken — ſonſt aber freylich - - - kurz: Der Eſel ſprach: du machſt mirs kraus, Jch kanns in Kopf nicht bringen — Aber Kukuk ſingt gut Choral Und haͤlt den Tackt fein inne! — Was lieſſen ſich ſonſt noch vor Deutungen machen, wenn man etwas die Welt kennet? — Aber zu unſerm Zweck: wie feſt und tief er- zaͤhlt! Ohne erzwungne Luſtigkeit und doch wie luſtig und ſtark und treffend in jedem Wort, in jeder Wendung! — Aller guten Dinge ſind drey! und zu unſern Zeiten wird ſo viel von Liedern fuͤr Kinder geſprochen: wollen Sie ein aͤlteres Deutſches hoͤren? Es enthaͤlt zwar keine tranſcendente Weisheit und Mo- ral, mit der die Kinder zeitig genug uͤberhaͤuft werden — es nichts als ein kindiſches
Fabel-
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ziehen, — in Theilen und im Ganzen! Die
Herrn, die ſo buͤrgerlich feiſt wohlmeinend
achten, daß jener Titel und dieſer Kragen doch
das Ding verſtehen muͤßte —
Dieweil er hat zwey Ohren groß
So kann er freylich hoͤren baß!
Die Herren, die aus Stumpfſinn, und Ge-
dankenloſigkeit gleich uͤber jeden etwas gedraͤng-
ten oder lebhaften Styl ſchreyen, „ey nicht
„griechiſche Lauterkeit! Ciceroniſche Wohlberedt-
„heit im ellenlangen Deutſchlateiniſchen Perio-
den! ſo voll Anſpielungen, voll Bilder, voll
Gedanken — ſonſt aber freylich - - - kurz:
Der Eſel ſprach: du machſt mirs kraus,
Jch kanns in Kopf nicht bringen —
Aber Kukuk ſingt gut Choral
Und haͤlt den Tackt fein inne! —
Was lieſſen ſich ſonſt noch vor Deutungen
machen, wenn man etwas die Welt kennet? —
Aber zu unſerm Zweck: wie feſt und tief er-
zaͤhlt! Ohne erzwungne Luſtigkeit und doch wie
luſtig und ſtark und treffend in jedem Wort,
in jeder Wendung! — Aller guten Dinge ſind
drey! und zu unſern Zeiten wird ſo viel von
Liedern fuͤr Kinder geſprochen: wollen
Sie ein aͤlteres Deutſches hoͤren? Es enthaͤlt
zwar keine tranſcendente Weisheit und Mo-
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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/60>, abgerufen am 15.08.2024.
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