ja der Stücke nicht schämen; denn die dreusten Engländer haben sich z. E. nicht schämen wol- len und dörfen. Selbst die Melodie des ihnen einmal angeführten: Come away, come away, death! erinnere ich mich einmal dun- kel gehört zu haben, und noch nicht vor langer Zeit erinnere ich mich eines Bettlerliedes, das an Jnhalt so gemischt und voll Sprünge war, und in seiner sehr lyrischen alten Melodie so traurig tönte. -- Unter ihrem Jammer kam die Sängerin, eine Penia felbst, im halben Gebetston aufs Ende ihres Lebens, wenn sie der bittre Tod überwände, und ihr (ich glaube es ist Gewohnheit oder Ausdruck) die Füsse bände; endlich kämen 4 oder 6 Leute, die sie von Hause nnd Freunden weg, unter dem Schall der Todtenglocke, in ihr Grab trugen --
Und wenn die Glocke verliert ihren Ton So haben meine Freunde vergessen mich schon! --
sagen Sie, ist der Zug nicht elegisch und rührend?
Da ich weiß, daß dieser Brief keinem von den eckeln Herren unsrer Zeit in die Hände kom- men wird, die über einen veralteten Reim oder Ausdruck gleich rumpfen! Da ich weiß, daß Sie überall mit mir mehr Natur, als Kunst suchen: so trage ich kein Bedenken, Jhnen z. E. aus einer Sammlung schlechter Handwerks- lieder, ein sehnend-trauriges Liebeslied hinzu-
setzen,
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ja der Stuͤcke nicht ſchaͤmen; denn die dreuſten Englaͤnder haben ſich z. E. nicht ſchaͤmen wol- len und doͤrfen. Selbſt die Melodie des ihnen einmal angefuͤhrten: Come away, come away, death! erinnere ich mich einmal dun- kel gehoͤrt zu haben, und noch nicht vor langer Zeit erinnere ich mich eines Bettlerliedes, das an Jnhalt ſo gemiſcht und voll Spruͤnge war, und in ſeiner ſehr lyriſchen alten Melodie ſo traurig toͤnte. — Unter ihrem Jammer kam die Saͤngerin, eine Penia felbſt, im halben Gebetston aufs Ende ihres Lebens, wenn ſie der bittre Tod uͤberwaͤnde, und ihr (ich glaube es iſt Gewohnheit oder Ausdruck) die Fuͤſſe baͤnde; endlich kaͤmen 4 oder 6 Leute, die ſie von Hauſe nnd Freunden weg, unter dem Schall der Todtenglocke, in ihr Grab trugen —
Und wenn die Glocke verliert ihren Ton So haben meine Freunde vergeſſen mich ſchon! —
ſagen Sie, iſt der Zug nicht elegiſch und ruͤhrend?
Da ich weiß, daß dieſer Brief keinem von den eckeln Herren unſrer Zeit in die Haͤnde kom- men wird, die uͤber einen veralteten Reim oder Ausdruck gleich rumpfen! Da ich weiß, daß Sie uͤberall mit mir mehr Natur, als Kunſt ſuchen: ſo trage ich kein Bedenken, Jhnen z. E. aus einer Sammlung ſchlechter Handwerks- lieder, ein ſehnend-trauriges Liebeslied hinzu-
ſetzen,
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ja der Stuͤcke nicht ſchaͤmen; denn die dreuſten
Englaͤnder haben ſich z. E. nicht ſchaͤmen wol-
len und doͤrfen. Selbſt die Melodie des ihnen
einmal angefuͤhrten: Come away, come
away, death! erinnere ich mich einmal dun-
kel gehoͤrt zu haben, und noch nicht vor langer
Zeit erinnere ich mich eines Bettlerliedes, das
an Jnhalt ſo gemiſcht und voll Spruͤnge war,
und in ſeiner ſehr lyriſchen alten Melodie ſo
traurig toͤnte. — Unter ihrem Jammer kam
die Saͤngerin, eine Penia felbſt, im halben
Gebetston aufs Ende ihres Lebens, wenn ſie
der bittre Tod uͤberwaͤnde, und ihr (ich
glaube es iſt Gewohnheit oder Ausdruck) die
Fuͤſſe baͤnde; endlich kaͤmen 4 oder 6 Leute,
die ſie von Hauſe nnd Freunden weg, unter dem
Schall der Todtenglocke, in ihr Grab trugen —
Und wenn die Glocke verliert ihren Ton
So haben meine Freunde vergeſſen mich ſchon! —
ſagen Sie, iſt der Zug nicht elegiſch und
ruͤhrend?
Da ich weiß, daß dieſer Brief keinem von
den eckeln Herren unſrer Zeit in die Haͤnde kom-
men wird, die uͤber einen veralteten Reim oder
Ausdruck gleich rumpfen! Da ich weiß, daß
Sie uͤberall mit mir mehr Natur, als Kunſt
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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/57>, abgerufen am 15.08.2024.
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