Die Welt ist groß! laß sie betteln drinn, Jch seh sie nimmermehr! -- O! Und was soll deine Mutter thun? Edward, Edward! Und was soll deine Mutter thun? Mein Sohn, das sage mir! O! Der Fluch der Hölle soll auf Euch ruhn, Mutter, Mutter! Der Fluch der Hölle soll auf Euch ruhn, Denn ihr, ihr riethets mir! O.
Könnte der Brudermord Kains in einem Po- pulärliede mit grausendern Zügen geschildert werden? und welche Würkung muß im leben- digen Rhytmus das Lied thun? und so, wie viele viele Lieder des Volks! Doch aus mei- nem Briefe soll kein Buch werden u. s. w.
... Endlich werden Sie aufmerksam, und mahnen mich um mehrere solche Volkslieder; ich aber beweise nun wieder ge- gen Sie Eigensinn. Denn aus Jhrem vorletz- ten Briefe z. E. ist mir noch ein Einwurf auf dem Herzen. "Auch Herr D. habe ja so viel lyrische Stücke, und die so schön wären!"
Lyrische Stücke hat er, und schön sind sie; aber wie viel lyrische Stücke, und wodurch sind sie schön? Was ist das andre im Original, was bey ihm nicht lyrisch ist, der Grund des Ge-
dichts,
Die Welt iſt groß! laß ſie betteln drinn, Jch ſeh ſie nimmermehr! — O! Und was ſoll deine Mutter thun? Edward, Edward! Und was ſoll deine Mutter thun? Mein Sohn, das ſage mir! O! Der Fluch der Hoͤlle ſoll auf Euch ruhn, Mutter, Mutter! Der Fluch der Hoͤlle ſoll auf Euch ruhn, Denn ihr, ihr riethets mir! O.
Koͤnnte der Brudermord Kains in einem Po- pulaͤrliede mit grauſendern Zuͤgen geſchildert werden? und welche Wuͤrkung muß im leben- digen Rhytmus das Lied thun? und ſo, wie viele viele Lieder des Volks! Doch aus mei- nem Briefe ſoll kein Buch werden u. ſ. w.
… Endlich werden Sie aufmerkſam, und mahnen mich um mehrere ſolche Volkslieder; ich aber beweiſe nun wieder ge- gen Sie Eigenſinn. Denn aus Jhrem vorletz- ten Briefe z. E. iſt mir noch ein Einwurf auf dem Herzen. „Auch Herr D. habe ja ſo viel lyriſche Stuͤcke, und die ſo ſchoͤn waͤren!‟
Lyriſche Stuͤcke hat er, und ſchoͤn ſind ſie; aber wie viel lyriſche Stuͤcke, und wodurch ſind ſie ſchoͤn? Was iſt das andre im Original, was bey ihm nicht lyriſch iſt, der Grund des Ge-
dichts,
<TEI><text><body><divn="1"><cit><quote><lgtype="poem"><pbfacs="#f0031"n="27"/><l>Die Welt iſt groß! laß ſie betteln drinn,</l><lb/><l>Jch ſeh ſie nimmermehr! — O!</l><lb/><l>Und was ſoll deine Mutter thun?</l><lb/><l>Edward, Edward!</l><lb/><l>Und was ſoll deine Mutter thun?</l><lb/><l>Mein Sohn, das ſage mir! O!</l><lb/><l>Der Fluch der Hoͤlle ſoll auf Euch ruhn,</l><lb/><l>Mutter, Mutter!</l><lb/><l>Der Fluch der Hoͤlle ſoll auf Euch ruhn,</l><lb/><l>Denn ihr, ihr riethets mir! O.</l></lg></quote><bibl/></cit><lb/><p>Koͤnnte der Brudermord Kains in einem Po-<lb/>
pulaͤrliede mit grauſendern Zuͤgen geſchildert<lb/>
werden? und welche Wuͤrkung muß im leben-<lb/>
digen Rhytmus das Lied thun? und ſo, wie<lb/>
viele viele Lieder des Volks! Doch aus mei-<lb/>
nem Briefe ſoll kein Buch werden u. ſ. w.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>…<hirendition="#in">E</hi>ndlich werden Sie aufmerkſam, und<lb/>
mahnen mich um mehrere ſolche<lb/>
Volkslieder; ich aber beweiſe nun wieder ge-<lb/>
gen Sie Eigenſinn. Denn aus Jhrem vorletz-<lb/>
ten Briefe z. E. iſt mir noch ein Einwurf auf<lb/>
dem Herzen. „Auch Herr D. habe ja ſo viel<lb/>
lyriſche Stuͤcke, und die ſo ſchoͤn waͤren!‟</p><lb/><p>Lyriſche Stuͤcke hat er, und ſchoͤn ſind ſie;<lb/>
aber wie viel lyriſche Stuͤcke, und wodurch ſind<lb/>ſie ſchoͤn? Was iſt das andre im Original, was<lb/>
bey ihm nicht lyriſch iſt, der Grund des Ge-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">dichts,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[27/0031]
Die Welt iſt groß! laß ſie betteln drinn,
Jch ſeh ſie nimmermehr! — O!
Und was ſoll deine Mutter thun?
Edward, Edward!
Und was ſoll deine Mutter thun?
Mein Sohn, das ſage mir! O!
Der Fluch der Hoͤlle ſoll auf Euch ruhn,
Mutter, Mutter!
Der Fluch der Hoͤlle ſoll auf Euch ruhn,
Denn ihr, ihr riethets mir! O.
Koͤnnte der Brudermord Kains in einem Po-
pulaͤrliede mit grauſendern Zuͤgen geſchildert
werden? und welche Wuͤrkung muß im leben-
digen Rhytmus das Lied thun? und ſo, wie
viele viele Lieder des Volks! Doch aus mei-
nem Briefe ſoll kein Buch werden u. ſ. w.
… Endlich werden Sie aufmerkſam, und
mahnen mich um mehrere ſolche
Volkslieder; ich aber beweiſe nun wieder ge-
gen Sie Eigenſinn. Denn aus Jhrem vorletz-
ten Briefe z. E. iſt mir noch ein Einwurf auf
dem Herzen. „Auch Herr D. habe ja ſo viel
lyriſche Stuͤcke, und die ſo ſchoͤn waͤren!‟
Lyriſche Stuͤcke hat er, und ſchoͤn ſind ſie;
aber wie viel lyriſche Stuͤcke, und wodurch ſind
ſie ſchoͤn? Was iſt das andre im Original, was
bey ihm nicht lyriſch iſt, der Grund des Ge-
dichts,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/31>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.