verschaffen wollen, ist das prächtigste Schau- spiel, was dem Menschen zur Bewunderung und zur Lehre gegeben werden kann; die Be- rechnung der auf beyden Seiten würkenden Kräfte und ihre Resultate sind für den Philoso- phen die erheblichsten Wahrheiten: und so viele grosse Bewegungsgründe müssen uns aufmun- tern, unsrer Nation diese Ehre zu erwerben. Sie müssen einen jeden reitzen, seine Provinz zu erleuchten, um sie dem grossen Geschicht- schreiber in dem wahren Lichte zu zeigen. Das Costume der Zeiten, der Stil jeder Verfas- sung, jedes Gesetzes und ich möchte sagen jedes antiken Worts, muß den Kunstliebenden ver- gnügen. Die Geschichte der Religion, der Rechtsgelehrsamkeit, der Philosophie, der Künste und schönen Wissenschaften ist auf sichere Weise von der Staatsgeschichte unzer- trennlich und würde sich mit obigen Plan vor- züglich gut verbinden lassen. Von Meisterhän- den versteht sich. Der Stil aller Künste, ja selbst der Depeschen und Liebesbriefe eines Her- zogs von Richelieu, steht gegen einander in eini- gem Verhältniß. Jeder Krieg hat seinen eige- nen Ton und die Staatshandlungen haben ihr Colorit, ihr Costume und ihre Manier in Ver- bindung mit der Religion und den Wissenschaf- ten. Rußland giebt uns davon täglich Bey- spiele; und das französische eilfertige Genie zeigt sich in Staatshandlungen wie im Roman.
Man
verſchaffen wollen, iſt das praͤchtigſte Schau- ſpiel, was dem Menſchen zur Bewunderung und zur Lehre gegeben werden kann; die Be- rechnung der auf beyden Seiten wuͤrkenden Kraͤfte und ihre Reſultate ſind fuͤr den Philoſo- phen die erheblichſten Wahrheiten: und ſo viele groſſe Bewegungsgruͤnde muͤſſen uns aufmun- tern, unſrer Nation dieſe Ehre zu erwerben. Sie muͤſſen einen jeden reitzen, ſeine Provinz zu erleuchten, um ſie dem groſſen Geſchicht- ſchreiber in dem wahren Lichte zu zeigen. Das Coſtume der Zeiten, der Stil jeder Verfaſ- ſung, jedes Geſetzes und ich moͤchte ſagen jedes antiken Worts, muß den Kunſtliebenden ver- gnuͤgen. Die Geſchichte der Religion, der Rechtsgelehrſamkeit, der Philoſophie, der Kuͤnſte und ſchoͤnen Wiſſenſchaften iſt auf ſichere Weiſe von der Staatsgeſchichte unzer- trennlich und wuͤrde ſich mit obigen Plan vor- zuͤglich gut verbinden laſſen. Von Meiſterhaͤn- den verſteht ſich. Der Stil aller Kuͤnſte, ja ſelbſt der Depeſchen und Liebesbriefe eines Her- zogs von Richelieu, ſteht gegen einander in eini- gem Verhaͤltniß. Jeder Krieg hat ſeinen eige- nen Ton und die Staatshandlungen haben ihr Colorit, ihr Coſtume und ihre Manier in Ver- bindung mit der Religion und den Wiſſenſchaf- ten. Rußland giebt uns davon taͤglich Bey- ſpiele; und das franzoͤſiſche eilfertige Genie zeigt ſich in Staatshandlungen wie im Roman.
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verſchaffen wollen, iſt das praͤchtigſte Schau-
ſpiel, was dem Menſchen zur Bewunderung
und zur Lehre gegeben werden kann; die Be-
rechnung der auf beyden Seiten wuͤrkenden
Kraͤfte und ihre Reſultate ſind fuͤr den Philoſo-
phen die erheblichſten Wahrheiten: und ſo viele
groſſe Bewegungsgruͤnde muͤſſen uns aufmun-
tern, unſrer Nation dieſe Ehre zu erwerben.
Sie muͤſſen einen jeden reitzen, ſeine Provinz
zu erleuchten, um ſie dem groſſen Geſchicht-
ſchreiber in dem wahren Lichte zu zeigen. Das
Coſtume der Zeiten, der Stil jeder Verfaſ-
ſung, jedes Geſetzes und ich moͤchte ſagen jedes
antiken Worts, muß den Kunſtliebenden ver-
gnuͤgen. Die Geſchichte der Religion, der
Rechtsgelehrſamkeit, der Philoſophie, der
Kuͤnſte und ſchoͤnen Wiſſenſchaften iſt auf
ſichere Weiſe von der Staatsgeſchichte unzer-
trennlich und wuͤrde ſich mit obigen Plan vor-
zuͤglich gut verbinden laſſen. Von Meiſterhaͤn-
den verſteht ſich. Der Stil aller Kuͤnſte, ja
ſelbſt der Depeſchen und Liebesbriefe eines Her-
zogs von Richelieu, ſteht gegen einander in eini-
gem Verhaͤltniß. Jeder Krieg hat ſeinen eige-
nen Ton und die Staatshandlungen haben ihr
Colorit, ihr Coſtume und ihre Manier in Ver-
bindung mit der Religion und den Wiſſenſchaf-
ten. Rußland giebt uns davon taͤglich Bey-
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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/185>, abgerufen am 19.01.2025.
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