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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.

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kommen und hatte allen Landesherren öftere
Gelegenheit gegeben, diejenigen Rechte, wel-
che sich aus obigen leicht folgern liessen, in
ihrer völligen Stärke auszuüben; insbeson-
dere aber die Schranken, welche ihnen ihrer
Länder eigne von der Kaiserlichen Gnade un-
abhängige Verfassung entgegen gesetzt hatte,
ziemlich zu erweitern, indem sie die Vollmacht
theils von der Noth entlehnten, theils von
dem Hasse der streitenden Religionspartheyen
gutwillig erhielten. Und so war es endlich
kein Wunder, wenn beym Westphälischen
Frieden, nachdem alles lange genug in Ver-
wirrung gewesen, diejenigen Reichsstände,
welche nach und nach die Vogtey, den Gra-
fenbann, das Freyherzogthum und die ganze
Vollmacht des Missi in ihrem Lande erlangt
hatten, die Bestätigung einer vollkommenen
Landeshoheit; andre hingegen, welche nur
die Vogtey gehabt, jedoch sich der höhern
Reichsbeamten erwehret hatten, die Unmittel-
barkeit und in Religionssachen eine nothwen-
dige Unabhängigkeit erhielten.

Wenn man auf die Anlage der deutschen
Verfassung zurück gehet: so zeigen sich vier
Hauptwendungen, welche sie hätte nehmen
können. Entweder wäre die erste Controlle
der Reichsbeamte per missos geblieben; oder
aber jede Provinz hätte einen auf Lebenszeit

stehen-
M

kommen und hatte allen Landesherren oͤftere
Gelegenheit gegeben, diejenigen Rechte, wel-
che ſich aus obigen leicht folgern lieſſen, in
ihrer voͤlligen Staͤrke auszuuͤben; insbeſon-
dere aber die Schranken, welche ihnen ihrer
Laͤnder eigne von der Kaiſerlichen Gnade un-
abhaͤngige Verfaſſung entgegen geſetzt hatte,
ziemlich zu erweitern, indem ſie die Vollmacht
theils von der Noth entlehnten, theils von
dem Haſſe der ſtreitenden Religionspartheyen
gutwillig erhielten. Und ſo war es endlich
kein Wunder, wenn beym Weſtphaͤliſchen
Frieden, nachdem alles lange genug in Ver-
wirrung geweſen, diejenigen Reichsſtaͤnde,
welche nach und nach die Vogtey, den Gra-
fenbann, das Freyherzogthum und die ganze
Vollmacht des Miſſi in ihrem Lande erlangt
hatten, die Beſtaͤtigung einer vollkommenen
Landeshoheit; andre hingegen, welche nur
die Vogtey gehabt, jedoch ſich der hoͤhern
Reichsbeamten erwehret hatten, die Unmittel-
barkeit und in Religionsſachen eine nothwen-
dige Unabhaͤngigkeit erhielten.

Wenn man auf die Anlage der deutſchen
Verfaſſung zuruͤck gehet: ſo zeigen ſich vier
Hauptwendungen, welche ſie haͤtte nehmen
koͤnnen. Entweder waͤre die erſte Controlle
der Reichsbeamte per miſſos geblieben; oder
aber jede Provinz haͤtte einen auf Lebenszeit

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[175/0179] kommen und hatte allen Landesherren oͤftere Gelegenheit gegeben, diejenigen Rechte, wel- che ſich aus obigen leicht folgern lieſſen, in ihrer voͤlligen Staͤrke auszuuͤben; insbeſon- dere aber die Schranken, welche ihnen ihrer Laͤnder eigne von der Kaiſerlichen Gnade un- abhaͤngige Verfaſſung entgegen geſetzt hatte, ziemlich zu erweitern, indem ſie die Vollmacht theils von der Noth entlehnten, theils von dem Haſſe der ſtreitenden Religionspartheyen gutwillig erhielten. Und ſo war es endlich kein Wunder, wenn beym Weſtphaͤliſchen Frieden, nachdem alles lange genug in Ver- wirrung geweſen, diejenigen Reichsſtaͤnde, welche nach und nach die Vogtey, den Gra- fenbann, das Freyherzogthum und die ganze Vollmacht des Miſſi in ihrem Lande erlangt hatten, die Beſtaͤtigung einer vollkommenen Landeshoheit; andre hingegen, welche nur die Vogtey gehabt, jedoch ſich der hoͤhern Reichsbeamten erwehret hatten, die Unmittel- barkeit und in Religionsſachen eine nothwen- dige Unabhaͤngigkeit erhielten. Wenn man auf die Anlage der deutſchen Verfaſſung zuruͤck gehet: ſo zeigen ſich vier Hauptwendungen, welche ſie haͤtte nehmen koͤnnen. Entweder waͤre die erſte Controlle der Reichsbeamte per miſſos geblieben; oder aber jede Provinz haͤtte einen auf Lebenszeit ſtehen- M

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/179>, abgerufen am 25.12.2024.