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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.

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und man sich daher gar nicht zu verwundern
hat, daß dadurch auch manche Klammer ge-
borsten ist und man so oft Risse und Spalten
sieht.

Man muß freylich nicht glauben, daß die
vielen dicken eisernen Klammern, womit das
gothische Mauerwerk in das Kreuz und in
die Quere befestigt wird, die Schwäche der
Bogen hinreichend ersetze, oder wohl gar
noch grössere Lasten erhalten kann. Denn
erstlich zieht die Kälte das Eisen zusammen
und die Wärme dehnt es aus; und denn müs-
sen solche Klammern, die schon gespannt und
sehr beschwert sind, allein wegen der Verän-
derung der Witterung nachgeben. Davon
könnte ich viele Beyspiele anführen. Zwey-
tens gründen sich die Rechnungen über die
Stärke der Klammern auf zuverläßig irrige
Grundsätze: denn man nimmt an, daß die
Stärke des Eisens in Verhältniß zu seiner
Dicke zunehme, da doch nach van Muschen-
broecks Versuchen zu Eisendrathen von 1, 2,
3, 4. Dicke die Gewichte 130, 230, 310, 450.
erfordert wurden, und folglich in geringern
Verhältniß als die Dicke zunahmen. Und
endlich ist es immer auch sehr unschicklich,
daß die Theile eines grossen Gebäudes von
eisernen Drathen und Klammern zusammen
gehalten werden sollen.

Jch

und man ſich daher gar nicht zu verwundern
hat, daß dadurch auch manche Klammer ge-
borſten iſt und man ſo oft Riſſe und Spalten
ſieht.

Man muß freylich nicht glauben, daß die
vielen dicken eiſernen Klammern, womit das
gothiſche Mauerwerk in das Kreuz und in
die Quere befeſtigt wird, die Schwaͤche der
Bogen hinreichend erſetze, oder wohl gar
noch groͤſſere Laſten erhalten kann. Denn
erſtlich zieht die Kaͤlte das Eiſen zuſammen
und die Waͤrme dehnt es aus; und denn muͤſ-
ſen ſolche Klammern, die ſchon geſpannt und
ſehr beſchwert ſind, allein wegen der Veraͤn-
derung der Witterung nachgeben. Davon
koͤnnte ich viele Beyſpiele anfuͤhren. Zwey-
tens gruͤnden ſich die Rechnungen uͤber die
Staͤrke der Klammern auf zuverlaͤßig irrige
Grundſaͤtze: denn man nimmt an, daß die
Staͤrke des Eiſens in Verhaͤltniß zu ſeiner
Dicke zunehme, da doch nach van Muſchen-
broecks Verſuchen zu Eiſendrathen von 1, 2,
3, 4. Dicke die Gewichte 130, 230, 310, 450.
erfordert wurden, und folglich in geringern
Verhaͤltniß als die Dicke zunahmen. Und
endlich iſt es immer auch ſehr unſchicklich,
daß die Theile eines groſſen Gebaͤudes von
eiſernen Drathen und Klammern zuſammen
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Jch
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[154/0158] und man ſich daher gar nicht zu verwundern hat, daß dadurch auch manche Klammer ge- borſten iſt und man ſo oft Riſſe und Spalten ſieht. Man muß freylich nicht glauben, daß die vielen dicken eiſernen Klammern, womit das gothiſche Mauerwerk in das Kreuz und in die Quere befeſtigt wird, die Schwaͤche der Bogen hinreichend erſetze, oder wohl gar noch groͤſſere Laſten erhalten kann. Denn erſtlich zieht die Kaͤlte das Eiſen zuſammen und die Waͤrme dehnt es aus; und denn muͤſ- ſen ſolche Klammern, die ſchon geſpannt und ſehr beſchwert ſind, allein wegen der Veraͤn- derung der Witterung nachgeben. Davon koͤnnte ich viele Beyſpiele anfuͤhren. Zwey- tens gruͤnden ſich die Rechnungen uͤber die Staͤrke der Klammern auf zuverlaͤßig irrige Grundſaͤtze: denn man nimmt an, daß die Staͤrke des Eiſens in Verhaͤltniß zu ſeiner Dicke zunehme, da doch nach van Muſchen- broecks Verſuchen zu Eiſendrathen von 1, 2, 3, 4. Dicke die Gewichte 130, 230, 310, 450. erfordert wurden, und folglich in geringern Verhaͤltniß als die Dicke zunahmen. Und endlich iſt es immer auch ſehr unſchicklich, daß die Theile eines groſſen Gebaͤudes von eiſernen Drathen und Klammern zuſammen gehalten werden ſollen. Jch

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/158>, abgerufen am 25.11.2024.