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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.

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im Schlusse eine Blume, so groß als der
Knauf auf den Säulen, ohne die Pyramide.
(Vitruv 4. B. 7. K.) Die Tempel von die-
ser Art hatten daher wenigstens ein abgestutz-
tes oder halbes Gewölbe. Da sich Vitruv
aber nicht weiter darüber erklärt hat, so
kann man nicht eigentlich sagen, was die
Blume und die Pyramide gewesen sey. Dem
ungeachtet hat der Marchese Galiani die Py-
ramide als einen kleinen Zierrath abzeichnen
lassen, der die Mitte der Blume ausfüllte,
weil er vielleicht einige Spuren davon auf
Schaumünzen angetroffen haben mochte. Die
Baumeister der Sophienkirche und andrer
alten Kirchen in Konstantinopel haben die
Kuppeln geschlossen gelassen, und nicht noch
mit andern Lasten in der Mitte beschwert.
Jn der Rotonda, die zu Theodorichs Zeiten
zu Ravenna erbauet worden, ist die Kuppel
zwar ganz in einem Stücke, aber es ist doch
keine Kuppoline darauf angebracht worden.
Vor tausend Jahren fingen die griechischen
Baumeister erst an, oben auf die Kuppel der
Marcuskirche zu Venedig einige Werke in
Gestalt von kleinen Kuppolinen zu setzen.
Beym Dome zu Pisa, dem zu Siena und den
Kirchen des Antonius und Justinus zu Padua,
wie auch in vielen andern, welche gleichfalls
vor tausend Jahren erbauet worden sind, en-

digen

im Schluſſe eine Blume, ſo groß als der
Knauf auf den Saͤulen, ohne die Pyramide.
(Vitruv 4. B. 7. K.) Die Tempel von die-
ſer Art hatten daher wenigſtens ein abgeſtutz-
tes oder halbes Gewoͤlbe. Da ſich Vitruv
aber nicht weiter daruͤber erklaͤrt hat, ſo
kann man nicht eigentlich ſagen, was die
Blume und die Pyramide geweſen ſey. Dem
ungeachtet hat der Marcheſe Galiani die Py-
ramide als einen kleinen Zierrath abzeichnen
laſſen, der die Mitte der Blume ausfuͤllte,
weil er vielleicht einige Spuren davon auf
Schaumuͤnzen angetroffen haben mochte. Die
Baumeiſter der Sophienkirche und andrer
alten Kirchen in Konſtantinopel haben die
Kuppeln geſchloſſen gelaſſen, und nicht noch
mit andern Laſten in der Mitte beſchwert.
Jn der Rotonda, die zu Theodorichs Zeiten
zu Ravenna erbauet worden, iſt die Kuppel
zwar ganz in einem Stuͤcke, aber es iſt doch
keine Kuppoline darauf angebracht worden.
Vor tauſend Jahren fingen die griechiſchen
Baumeiſter erſt an, oben auf die Kuppel der
Marcuskirche zu Venedig einige Werke in
Geſtalt von kleinen Kuppolinen zu ſetzen.
Beym Dome zu Piſa, dem zu Siena und den
Kirchen des Antonius und Juſtinus zu Padua,
wie auch in vielen andern, welche gleichfalls
vor tauſend Jahren erbauet worden ſind, en-

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[146/0150] im Schluſſe eine Blume, ſo groß als der Knauf auf den Saͤulen, ohne die Pyramide. (Vitruv 4. B. 7. K.) Die Tempel von die- ſer Art hatten daher wenigſtens ein abgeſtutz- tes oder halbes Gewoͤlbe. Da ſich Vitruv aber nicht weiter daruͤber erklaͤrt hat, ſo kann man nicht eigentlich ſagen, was die Blume und die Pyramide geweſen ſey. Dem ungeachtet hat der Marcheſe Galiani die Py- ramide als einen kleinen Zierrath abzeichnen laſſen, der die Mitte der Blume ausfuͤllte, weil er vielleicht einige Spuren davon auf Schaumuͤnzen angetroffen haben mochte. Die Baumeiſter der Sophienkirche und andrer alten Kirchen in Konſtantinopel haben die Kuppeln geſchloſſen gelaſſen, und nicht noch mit andern Laſten in der Mitte beſchwert. Jn der Rotonda, die zu Theodorichs Zeiten zu Ravenna erbauet worden, iſt die Kuppel zwar ganz in einem Stuͤcke, aber es iſt doch keine Kuppoline darauf angebracht worden. Vor tauſend Jahren fingen die griechiſchen Baumeiſter erſt an, oben auf die Kuppel der Marcuskirche zu Venedig einige Werke in Geſtalt von kleinen Kuppolinen zu ſetzen. Beym Dome zu Piſa, dem zu Siena und den Kirchen des Antonius und Juſtinus zu Padua, wie auch in vielen andern, welche gleichfalls vor tauſend Jahren erbauet worden ſind, en- digen

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/150>, abgerufen am 24.11.2024.