dungen der grobern Sinne wiederum so undeutlich und in einander, daß nach aller Natur entweder Nichts, oder das Ohr der erste Lehrmeister der Sprache wurde.
Da ist z. E. das Schaaf. Als Bild schwebet es dem Auge mit allen Gegenständen, Bildern und Farben auf Einer großen Naturtafel vor -- wie viel, wie mühsam zu unterscheiden! Alle Merk- male sind fein verflochten, neben einander -- alle noch unaussprechlich! Wer kann Gestalten reden? Wer kann Farben tönen? Er nimmt das Schaaf unter seine tastende Hand -- Das Gefühl ist sicherer und voller; aber so voll, so dunkel in einander -- Wer kann, was er fühlt, sagen? Aber horch! das Schaaf blöcket! Da reißt sich ein Merkmal von der Leinwand des Farbenbildes, worinn so wenig zu unterscheiden war, von selbst los: ist tief und deutlich in die Seele gedrungen. "Ha! sagt der lernende Unmündige, wie jener "blind gewesene Cheselden's: nun werde ich dich "wieder kennen -- Du blöckst!" Die Turtel- taube girrt! der Hund bellet! da sind drei Worte, weil er drei deutliche Jdeen versuchte, diese in
seine
dungen der grobern Sinne wiederum ſo undeutlich und in einander, daß nach aller Natur entweder Nichts, oder das Ohr der erſte Lehrmeiſter der Sprache wurde.
Da iſt z. E. das Schaaf. Als Bild ſchwebet es dem Auge mit allen Gegenſtaͤnden, Bildern und Farben auf Einer großen Naturtafel vor — wie viel, wie muͤhſam zu unterſcheiden! Alle Merk- male ſind fein verflochten, neben einander — alle noch unausſprechlich! Wer kann Geſtalten reden? Wer kann Farben toͤnen? Er nimmt das Schaaf unter ſeine taſtende Hand — Das Gefuͤhl iſt ſicherer und voller; aber ſo voll, ſo dunkel in einander — Wer kann, was er fuͤhlt, ſagen? Aber horch! das Schaaf bloͤcket! Da reißt ſich ein Merkmal von der Leinwand des Farbenbildes, worinn ſo wenig zu unterſcheiden war, von ſelbſt los: iſt tief und deutlich in die Seele gedrungen. „Ha! ſagt der lernende Unmuͤndige, wie jener „blind geweſene Cheſelden’s: nun werde ich dich „wieder kennen — Du bloͤckſt!„ Die Turtel- taube girrt! der Hund bellet! da ſind drei Worte, weil er drei deutliche Jdeen verſuchte, dieſe in
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dungen der grobern Sinne wiederum ſo undeutlich
und in einander, daß nach aller Natur entweder
Nichts, oder das Ohr der erſte Lehrmeiſter
der Sprache wurde.
Da iſt z. E. das Schaaf. Als Bild ſchwebet
es dem Auge mit allen Gegenſtaͤnden, Bildern
und Farben auf Einer großen Naturtafel vor —
wie viel, wie muͤhſam zu unterſcheiden! Alle Merk-
male ſind fein verflochten, neben einander —
alle noch unausſprechlich! Wer kann Geſtalten
reden? Wer kann Farben toͤnen? Er nimmt das
Schaaf unter ſeine taſtende Hand — Das Gefuͤhl
iſt ſicherer und voller; aber ſo voll, ſo dunkel in
einander — Wer kann, was er fuͤhlt, ſagen?
Aber horch! das Schaaf bloͤcket! Da reißt ſich ein
Merkmal von der Leinwand des Farbenbildes,
worinn ſo wenig zu unterſcheiden war, von ſelbſt
los: iſt tief und deutlich in die Seele gedrungen.
„Ha! ſagt der lernende Unmuͤndige, wie jener
„blind geweſene Cheſelden’s: nun werde ich dich
„wieder kennen — Du bloͤckſt!„ Die Turtel-
taube girrt! der Hund bellet! da ſind drei Worte,
weil er drei deutliche Jdeen verſuchte, dieſe in
ſeine
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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/82>, abgerufen am 03.07.2024.
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