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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.

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Weiter mag ich aus der Metaphysik die Hypo-
these des göttlichen Sprachenursprunges nicht ver-
folgen; da psychologisch ihr Ungrund darinn ge-
zeigt ist, daß um die Sprache der Götter im
Olymp zu verstehen, der Mensch schon Vernunft,
folglich schon Sprache haben müsse. Noch weni-
ger kann ich mich in ein angenehmes Detail der
Thiersprachen einlassen: da sie doch alle, wie wir
gesehen, total und incommensurabel von der
menschlichen Sprache abstehen. Dem ich am un-
gernsten entsage, wären hier die mancherlei Aus-
sichten, die von diesem genetischen Punkt der Spra-
che in der menschlichen Seele, in die weiten Fel-
der der Logik, Aesthetik und Psychologie, inson-
derheit über die Frage gehen: wie weit kann
man ohne? -- -- Was muß man mit der
Sprache denken?
-- eine Frage, die sich nach-
her in Anwendungen fast über alle Wissenschaften
ausbreitet. Hier sei es gnug die Sprache, als
den würklichen Unterscheidungscharakter unsrer
Gattung von außen zu bemerken, wie es die Ver-
nunft von innen ist.

Jn

Weiter mag ich aus der Metaphyſik die Hypo-
theſe des goͤttlichen Sprachenurſprunges nicht ver-
folgen; da pſychologiſch ihr Ungrund darinn ge-
zeigt iſt, daß um die Sprache der Goͤtter im
Olymp zu verſtehen, der Menſch ſchon Vernunft,
folglich ſchon Sprache haben muͤſſe. Noch weni-
ger kann ich mich in ein angenehmes Detail der
Thierſprachen einlaſſen: da ſie doch alle, wie wir
geſehen, total und incommenſurabel von der
menſchlichen Sprache abſtehen. Dem ich am un-
gernſten entſage, waͤren hier die mancherlei Aus-
ſichten, die von dieſem genetiſchen Punkt der Spra-
che in der menſchlichen Seele, in die weiten Fel-
der der Logik, Aeſthetik und Pſychologie, inſon-
derheit uͤber die Frage gehen: wie weit kann
man ohne? — — Was muß man mit der
Sprache denken?
— eine Frage, die ſich nach-
her in Anwendungen faſt uͤber alle Wiſſenſchaften
ausbreitet. Hier ſei es gnug die Sprache, als
den wuͤrklichen Unterſcheidungscharakter unſrer
Gattung von außen zu bemerken, wie es die Ver-
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[72/0078] Weiter mag ich aus der Metaphyſik die Hypo- theſe des goͤttlichen Sprachenurſprunges nicht ver- folgen; da pſychologiſch ihr Ungrund darinn ge- zeigt iſt, daß um die Sprache der Goͤtter im Olymp zu verſtehen, der Menſch ſchon Vernunft, folglich ſchon Sprache haben muͤſſe. Noch weni- ger kann ich mich in ein angenehmes Detail der Thierſprachen einlaſſen: da ſie doch alle, wie wir geſehen, total und incommenſurabel von der menſchlichen Sprache abſtehen. Dem ich am un- gernſten entſage, waͤren hier die mancherlei Aus- ſichten, die von dieſem genetiſchen Punkt der Spra- che in der menſchlichen Seele, in die weiten Fel- der der Logik, Aeſthetik und Pſychologie, inſon- derheit uͤber die Frage gehen: wie weit kann man ohne? — — Was muß man mit der Sprache denken? — eine Frage, die ſich nach- her in Anwendungen faſt uͤber alle Wiſſenſchaften ausbreitet. Hier ſei es gnug die Sprache, als den wuͤrklichen Unterſcheidungscharakter unſrer Gattung von außen zu bemerken, wie es die Ver- nunft von innen iſt. Jn

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/78>, abgerufen am 25.11.2024.