durch die Sprache. Will man solche übernatür- liche Erleichterung aus andern Gründen annehmen: so geht das meinen Zweck nichts an; nur alsdenn hat Gott durchaus für die Menschen keine Spra- che erfunden, sondern diese haben immer noch mit Würkung eigner Kräfte, nur unter höherer Ver- anstaltung, sich ihre Sprache finden müssen. Um das erste Wort, als Wort, d. i. als Merkzeichen der Vernunft auch aus dem Munde Gottes empfan- gen zu können, war Vernunft nöthig; und der Mensch mußte dieselbe Besinnung anwenden, dies Wort, als Wort zu verstehen, als hätte ers ur- sprünglich ersonnen. Alsdenn fechten alle Waffen meines Gegners gegen ihn selbst; er mußte würk- lichen Gebrauch der Vernunft haben, um göttliche Sprache zu lernen: den hat immer ein lernendes Kind auch, wenn es nicht, wie ein Papagay, blos Worte ohne Gedanken sagen soll -- Was wären aber das für würdige Schüler Gottes, die so lern- ten? Und wenn die ewig so gelernt hätten, wo hät- ten wir denn unsre Vernunftsprache her?
Jch schmeichle mir, daß wenn mein würdiger Gegner noch lebte, er einsähe, daß sein Einwurf
etwas
durch die Sprache. Will man ſolche uͤbernatuͤr- liche Erleichterung aus andern Gruͤnden annehmen: ſo geht das meinen Zweck nichts an; nur alsdenn hat Gott durchaus fuͤr die Menſchen keine Spra- che erfunden, ſondern dieſe haben immer noch mit Wuͤrkung eigner Kraͤfte, nur unter hoͤherer Ver- anſtaltung, ſich ihre Sprache finden muͤſſen. Um das erſte Wort, als Wort, d. i. als Merkzeichen der Vernunft auch aus dem Munde Gottes empfan- gen zu koͤnnen, war Vernunft noͤthig; und der Menſch mußte dieſelbe Beſinnung anwenden, dies Wort, als Wort zu verſtehen, als haͤtte ers ur- ſpruͤnglich erſonnen. Alsdenn fechten alle Waffen meines Gegners gegen ihn ſelbſt; er mußte wuͤrk- lichen Gebrauch der Vernunft haben, um goͤttliche Sprache zu lernen: den hat immer ein lernendes Kind auch, wenn es nicht, wie ein Papagay, blos Worte ohne Gedanken ſagen ſoll — Was waͤren aber das fuͤr wuͤrdige Schuͤler Gottes, die ſo lern- ten? Und wenn die ewig ſo gelernt haͤtten, wo haͤt- ten wir denn unſre Vernunftſprache her?
Jch ſchmeichle mir, daß wenn mein wuͤrdiger Gegner noch lebte, er einſaͤhe, daß ſein Einwurf
etwas
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durch die Sprache. Will man ſolche uͤbernatuͤr-
liche Erleichterung aus andern Gruͤnden annehmen:
ſo geht das meinen Zweck nichts an; nur alsdenn
hat Gott durchaus fuͤr die Menſchen keine Spra-
che erfunden, ſondern dieſe haben immer noch mit
Wuͤrkung eigner Kraͤfte, nur unter hoͤherer Ver-
anſtaltung, ſich ihre Sprache finden muͤſſen. Um
das erſte Wort, als Wort, d. i. als Merkzeichen
der Vernunft auch aus dem Munde Gottes empfan-
gen zu koͤnnen, war Vernunft noͤthig; und der
Menſch mußte dieſelbe Beſinnung anwenden, dies
Wort, als Wort zu verſtehen, als haͤtte ers ur-
ſpruͤnglich erſonnen. Alsdenn fechten alle Waffen
meines Gegners gegen ihn ſelbſt; er mußte wuͤrk-
lichen Gebrauch der Vernunft haben, um goͤttliche
Sprache zu lernen: den hat immer ein lernendes
Kind auch, wenn es nicht, wie ein Papagay, blos
Worte ohne Gedanken ſagen ſoll — Was waͤren
aber das fuͤr wuͤrdige Schuͤler Gottes, die ſo lern-
ten? Und wenn die ewig ſo gelernt haͤtten, wo haͤt-
ten wir denn unſre Vernunftſprache her?
Jch ſchmeichle mir, daß wenn mein wuͤrdiger
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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/69>, abgerufen am 22.07.2024.
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