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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.

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ohne denken; wenigstens folgt daraus noch gar
nicht, daß an sich selbst keine Abstraktion ohne
sinnliches Zeichen möglich sey. Jch habe erwiesen,
daß der Gebrauch der Vernunft nicht etwa blos
füglich, sondern daß nicht der mindeste Gebrauch
der Vernunft, nicht die einfachste, deutliche Aner-
kennung, nicht das simpelste Urtheil einer mensch-
lichen Besonnenheit ohne Merkmal möglich sey:
denn der Unterschied von zween läßt sich nur immer
durch ein drittes erkennen. Eben dies dritte, dies
Merkmal, wird mithin inneres Merkwort; also folgt
die Sprache aus dem ersten Aktus der Vernunft
ganz natürlich. -- Hr. Süßmilch will darthun, *)
daß die höhern Anwendungen der Vernunft nicht
ohne Sprache vor sich gehen könnten, und führt
dazu Wolfs Worte an, der aber auch nur von
diesem Falle in Wahrscheinlichkeiten redet. Der
Fall thut eigentlich nichts zur Sache: denn die hö-
hern Anwendungen der Vernunft, wie sie in den
spekulativen Wissenschaften Platz finden, waren
ja nicht zu dem ersten Grundstein der Sprachenle-
gung nöthig -- Und doch ist auch dieser leicht zu

er-
*) Eb. das. S. 52.

ohne denken; wenigſtens folgt daraus noch gar
nicht, daß an ſich ſelbſt keine Abſtraktion ohne
ſinnliches Zeichen moͤglich ſey. Jch habe erwieſen,
daß der Gebrauch der Vernunft nicht etwa blos
fuͤglich, ſondern daß nicht der mindeſte Gebrauch
der Vernunft, nicht die einfachſte, deutliche Aner-
kennung, nicht das ſimpelſte Urtheil einer menſch-
lichen Beſonnenheit ohne Merkmal moͤglich ſey:
denn der Unterſchied von zween laͤßt ſich nur immer
durch ein drittes erkennen. Eben dies dritte, dies
Merkmal, wird mithin inneres Merkwort; alſo folgt
die Sprache aus dem erſten Aktus der Vernunft
ganz natuͤrlich. — Hr. Suͤßmilch will darthun, *)
daß die hoͤhern Anwendungen der Vernunft nicht
ohne Sprache vor ſich gehen koͤnnten, und fuͤhrt
dazu Wolfs Worte an, der aber auch nur von
dieſem Falle in Wahrſcheinlichkeiten redet. Der
Fall thut eigentlich nichts zur Sache: denn die hoͤ-
hern Anwendungen der Vernunft, wie ſie in den
ſpekulativen Wiſſenſchaften Platz finden, waren
ja nicht zu dem erſten Grundſtein der Sprachenle-
gung noͤthig — Und doch iſt auch dieſer leicht zu

er-
*) Eb. daſ. S. 52.
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[60/0066] ohne denken; wenigſtens folgt daraus noch gar nicht, daß an ſich ſelbſt keine Abſtraktion ohne ſinnliches Zeichen moͤglich ſey. Jch habe erwieſen, daß der Gebrauch der Vernunft nicht etwa blos fuͤglich, ſondern daß nicht der mindeſte Gebrauch der Vernunft, nicht die einfachſte, deutliche Aner- kennung, nicht das ſimpelſte Urtheil einer menſch- lichen Beſonnenheit ohne Merkmal moͤglich ſey: denn der Unterſchied von zween laͤßt ſich nur immer durch ein drittes erkennen. Eben dies dritte, dies Merkmal, wird mithin inneres Merkwort; alſo folgt die Sprache aus dem erſten Aktus der Vernunft ganz natuͤrlich. — Hr. Suͤßmilch will darthun, *) daß die hoͤhern Anwendungen der Vernunft nicht ohne Sprache vor ſich gehen koͤnnten, und fuͤhrt dazu Wolfs Worte an, der aber auch nur von dieſem Falle in Wahrſcheinlichkeiten redet. Der Fall thut eigentlich nichts zur Sache: denn die hoͤ- hern Anwendungen der Vernunft, wie ſie in den ſpekulativen Wiſſenſchaften Platz finden, waren ja nicht zu dem erſten Grundſtein der Sprachenle- gung noͤthig — Und doch iſt auch dieſer leicht zu er- *) Eb. daſ. S. 52.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/66>, abgerufen am 25.11.2024.