Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.Lasset jenes Lamm, als Bild sein Auge vorbei- ten
Laſſet jenes Lamm, als Bild ſein Auge vorbei- ten
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0060" n="54"/> <p>Laſſet jenes Lamm, als Bild ſein Auge vorbei-<lb/> gehn: ihm wie keinem andern Thiere. Nicht wie<lb/> dem hungrigen, witternden Wolfe! nicht wie dem<lb/> blutleckenden Loͤwen — die wittern und ſchmecken<lb/> ſchon im Geiſte! die Sinnlichkeit hat ſie uͤberwaͤl-<lb/> tigt! der Jnſtinkt wirft ſie daruͤber her! — Nicht<lb/> wie dem bruͤnſtigen Schaafmanne, der es nur als<lb/> den Gegenſtand ſeines Genuſſes fuͤhlt, den alſo<lb/> wieder die Sinnlichkeit uͤberwaͤltigt, und der Jn-<lb/> ſtinkt daruͤber herwirft; nicht wie jedem andern<lb/> Thier, dem das Schaaf gleichguͤltig iſt, daß es<lb/> alſo klar dunkel vorbeiſtreichen laͤßt, weil ihn ſein<lb/> Jnſtinkt auf etwas anders wendet — Nicht ſo<lb/> dem Menſchen! ſo bald er in die Beduͤrfniß<lb/> kommt, das Schaaf kennen zu lernen: ſo ſtoͤret<lb/> ihn kein Jnſtinkt: ſo reißt ihn kein Sinn auf daſ-<lb/> ſelbe zu nahe hin, oder davon ab: es ſteht da,<lb/> ganz wie es ſich ſeinen Sinnen aͤußert. Weiß,<lb/> ſanft, wollicht — ſeine beſonnen ſich uͤbende Seele<lb/> ſucht ein Merkmal, — <hi rendition="#fr">das Schaaf bloͤcket!</hi><lb/> ſie hat Merkmal gefunden. Der innere Sinn<lb/> wuͤrket. Dies Bloͤcken, das ihr am ſtaͤrkſten Ein-<lb/> druck macht, das ſich von allen andern Eigenſchaf-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0060]
Laſſet jenes Lamm, als Bild ſein Auge vorbei-
gehn: ihm wie keinem andern Thiere. Nicht wie
dem hungrigen, witternden Wolfe! nicht wie dem
blutleckenden Loͤwen — die wittern und ſchmecken
ſchon im Geiſte! die Sinnlichkeit hat ſie uͤberwaͤl-
tigt! der Jnſtinkt wirft ſie daruͤber her! — Nicht
wie dem bruͤnſtigen Schaafmanne, der es nur als
den Gegenſtand ſeines Genuſſes fuͤhlt, den alſo
wieder die Sinnlichkeit uͤberwaͤltigt, und der Jn-
ſtinkt daruͤber herwirft; nicht wie jedem andern
Thier, dem das Schaaf gleichguͤltig iſt, daß es
alſo klar dunkel vorbeiſtreichen laͤßt, weil ihn ſein
Jnſtinkt auf etwas anders wendet — Nicht ſo
dem Menſchen! ſo bald er in die Beduͤrfniß
kommt, das Schaaf kennen zu lernen: ſo ſtoͤret
ihn kein Jnſtinkt: ſo reißt ihn kein Sinn auf daſ-
ſelbe zu nahe hin, oder davon ab: es ſteht da,
ganz wie es ſich ſeinen Sinnen aͤußert. Weiß,
ſanft, wollicht — ſeine beſonnen ſich uͤbende Seele
ſucht ein Merkmal, — das Schaaf bloͤcket!
ſie hat Merkmal gefunden. Der innere Sinn
wuͤrket. Dies Bloͤcken, das ihr am ſtaͤrkſten Ein-
druck macht, das ſich von allen andern Eigenſchaf-
ten
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |