zu empfangen und mitzutheilen -- dadurch wird, "Fortbildung der Sprache."
Endlich geht dieser sonderbare Plan auch aufs ganze Menschengeschlech fort; und dadurch wird "eine Fortbildung im höchsten Verstande," die aus den beiden vorigen unmittelbar folgt.
Jedes Jndividuum ist Mensch, folglich denkt er die Kette seines Lebens fort. Jedes Jndivi- duum ist Sohn oder Tochter: ward durch Unter- richt gebildet: folglich bekam es immer einen Theil der Gedankenschätze seiner Vorfahren frühe mit, und wird sie nach seiner Art weiter reichen -- also ist auf gewisse Weise "kein Gedanke, keine Erfindung, keine Vervollkommung, die nicht weiter, fast ins Unendliche reiche." So wie ich keine Handlung thun, keinen Gedanken den- ken kann, der nicht auf die ganze Unermeßlichkeit meines Daseyns natürlich hinwürke; so nicht ich und kein Geschöpf meiner Gattung, was nicht mit jedem auch für die ganze Gattung und für das fortgehende Ganze der ganzen Gattung würke. Jedes treibt immer eine große oder kleine Welle: jedes verändert den Zustand der Einzelnen Seele,
mit-
zu empfangen und mitzutheilen — dadurch wird, „Fortbildung der Sprache.„
Endlich geht dieſer ſonderbare Plan auch aufs ganze Menſchengeſchlech fort; und dadurch wird „eine Fortbildung im hoͤchſten Verſtande,„ die aus den beiden vorigen unmittelbar folgt.
Jedes Jndividuum iſt Menſch, folglich denkt er die Kette ſeines Lebens fort. Jedes Jndivi- duum iſt Sohn oder Tochter: ward durch Unter- richt gebildet: folglich bekam es immer einen Theil der Gedankenſchaͤtze ſeiner Vorfahren fruͤhe mit, und wird ſie nach ſeiner Art weiter reichen — alſo iſt auf gewiſſe Weiſe „kein Gedanke, keine Erfindung, keine Vervollkommung, die nicht weiter, faſt ins Unendliche reiche.„ So wie ich keine Handlung thun, keinen Gedanken den- ken kann, der nicht auf die ganze Unermeßlichkeit meines Daſeyns natuͤrlich hinwuͤrke; ſo nicht ich und kein Geſchoͤpf meiner Gattung, was nicht mit jedem auch fuͤr die ganze Gattung und fuͤr das fortgehende Ganze der ganzen Gattung wuͤrke. Jedes treibt immer eine große oder kleine Welle: jedes veraͤndert den Zuſtand der Einzelnen Seele,
mit-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0210"n="204"/>
zu empfangen und mitzutheilen — dadurch wird,<lb/>„<hirendition="#fr">Fortbildung der Sprache.</hi>„</p><lb/><p>Endlich geht dieſer ſonderbare Plan auch <hirendition="#fr">aufs<lb/>
ganze Menſchengeſchlech</hi> fort; und dadurch<lb/>
wird „eine <hirendition="#fr">Fortbildung</hi> im hoͤchſten Verſtande,„<lb/>
die aus den beiden vorigen unmittelbar folgt.</p><lb/><p>Jedes Jndividuum iſt Menſch, folglich denkt<lb/>
er die Kette ſeines Lebens fort. Jedes Jndivi-<lb/>
duum iſt Sohn oder Tochter: ward durch Unter-<lb/>
richt gebildet: folglich bekam es immer einen Theil<lb/>
der Gedankenſchaͤtze ſeiner Vorfahren fruͤhe mit,<lb/>
und wird ſie nach ſeiner Art weiter reichen —<lb/>
alſo iſt auf gewiſſe Weiſe „<hirendition="#fr">kein Gedanke, keine<lb/>
Erfindung, keine Vervollkommung, die nicht<lb/>
weiter, faſt ins Unendliche reiche.</hi>„ So wie<lb/>
ich keine Handlung thun, keinen Gedanken den-<lb/>
ken kann, der nicht auf die ganze Unermeßlichkeit<lb/><hirendition="#fr">meines</hi> Daſeyns natuͤrlich hinwuͤrke; ſo nicht ich<lb/>
und kein Geſchoͤpf meiner Gattung, was nicht mit<lb/>
jedem auch fuͤr <hirendition="#fr">die ganze Gattung</hi> und fuͤr das<lb/><hirendition="#fr">fortgehende Ganze der ganzen Gattung</hi> wuͤrke.<lb/>
Jedes treibt immer eine große oder kleine Welle:<lb/>
jedes veraͤndert den Zuſtand der <hirendition="#fr">Einzelnen</hi> Seele,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">mit-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[204/0210]
zu empfangen und mitzutheilen — dadurch wird,
„Fortbildung der Sprache.„
Endlich geht dieſer ſonderbare Plan auch aufs
ganze Menſchengeſchlech fort; und dadurch
wird „eine Fortbildung im hoͤchſten Verſtande,„
die aus den beiden vorigen unmittelbar folgt.
Jedes Jndividuum iſt Menſch, folglich denkt
er die Kette ſeines Lebens fort. Jedes Jndivi-
duum iſt Sohn oder Tochter: ward durch Unter-
richt gebildet: folglich bekam es immer einen Theil
der Gedankenſchaͤtze ſeiner Vorfahren fruͤhe mit,
und wird ſie nach ſeiner Art weiter reichen —
alſo iſt auf gewiſſe Weiſe „kein Gedanke, keine
Erfindung, keine Vervollkommung, die nicht
weiter, faſt ins Unendliche reiche.„ So wie
ich keine Handlung thun, keinen Gedanken den-
ken kann, der nicht auf die ganze Unermeßlichkeit
meines Daſeyns natuͤrlich hinwuͤrke; ſo nicht ich
und kein Geſchoͤpf meiner Gattung, was nicht mit
jedem auch fuͤr die ganze Gattung und fuͤr das
fortgehende Ganze der ganzen Gattung wuͤrke.
Jedes treibt immer eine große oder kleine Welle:
jedes veraͤndert den Zuſtand der Einzelnen Seele,
mit-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/210>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.