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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.

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Träumen wecken und beleben, und denen er seine
Nächte wacht: sie sinds, deren Namen seine Be-
gleiter in Schwüren und Gesängen nennen: sie
sinds, denen man die Gefangnen in allen Mar-
tern weihet, und sie sinds auch gegentheils, die
den gemarterten in seinen Gesängen und Todeslie-
dern stärken. "Verewigter Familienhaß" ist
also die Ursache ihrer Kriege, ihrer so eifersüchtigen
Abtrennungen in Völker, die oft kaum nur Fami-
lien gleichen, und nach aller Wahrscheinlichkeit
auch der "völligen Unterschiede ihrer Gebräu-
"che und Sprachen.
"

Eine morgenländische Urkunde über die Tren-
nung der Sprachen
*) (die ich hier nur als ein
poetisches Fragment zur Archäologie der Völkerge-
schichte betrachte) bestätigt durch eine sehr dichte-
rische Erzählung, was so viel Nationen aller
Welttheile durch ihr Beispiel bestätigen. "Nicht
"allmählig verwandelten sich die Sprachen," wie
sie der Philosoph durch Wanderungen vervielfäl-
tigt; "die Völker vereinigten sich, sagt das Poem,

"zu
*) 1. Mos. 11.

Traͤumen wecken und beleben, und denen er ſeine
Naͤchte wacht: ſie ſinds, deren Namen ſeine Be-
gleiter in Schwuͤren und Geſaͤngen nennen: ſie
ſinds, denen man die Gefangnen in allen Mar-
tern weihet, und ſie ſinds auch gegentheils, die
den gemarterten in ſeinen Geſaͤngen und Todeslie-
dern ſtaͤrken. „Verewigter Familienhaß„ iſt
alſo die Urſache ihrer Kriege, ihrer ſo eiferſuͤchtigen
Abtrennungen in Voͤlker, die oft kaum nur Fami-
lien gleichen, und nach aller Wahrſcheinlichkeit
auch der „voͤlligen Unterſchiede ihrer Gebraͤu-
„che und Sprachen.

Eine morgenlaͤndiſche Urkunde uͤber die Tren-
nung der Sprachen
*) (die ich hier nur als ein
poetiſches Fragment zur Archaͤologie der Voͤlkerge-
ſchichte betrachte) beſtaͤtigt durch eine ſehr dichte-
riſche Erzaͤhlung, was ſo viel Nationen aller
Welttheile durch ihr Beiſpiel beſtaͤtigen. „Nicht
„allmaͤhlig verwandelten ſich die Sprachen,„ wie
ſie der Philoſoph durch Wanderungen vervielfaͤl-
tigt; „die Voͤlker vereinigten ſich, ſagt das Poem,

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[200/0206] Traͤumen wecken und beleben, und denen er ſeine Naͤchte wacht: ſie ſinds, deren Namen ſeine Be- gleiter in Schwuͤren und Geſaͤngen nennen: ſie ſinds, denen man die Gefangnen in allen Mar- tern weihet, und ſie ſinds auch gegentheils, die den gemarterten in ſeinen Geſaͤngen und Todeslie- dern ſtaͤrken. „Verewigter Familienhaß„ iſt alſo die Urſache ihrer Kriege, ihrer ſo eiferſuͤchtigen Abtrennungen in Voͤlker, die oft kaum nur Fami- lien gleichen, und nach aller Wahrſcheinlichkeit auch der „voͤlligen Unterſchiede ihrer Gebraͤu- „che und Sprachen.„ Eine morgenlaͤndiſche Urkunde uͤber die Tren- nung der Sprachen *) (die ich hier nur als ein poetiſches Fragment zur Archaͤologie der Voͤlkerge- ſchichte betrachte) beſtaͤtigt durch eine ſehr dichte- riſche Erzaͤhlung, was ſo viel Nationen aller Welttheile durch ihr Beiſpiel beſtaͤtigen. „Nicht „allmaͤhlig verwandelten ſich die Sprachen,„ wie ſie der Philoſoph durch Wanderungen vervielfaͤl- tigt; „die Voͤlker vereinigten ſich, ſagt das Poem, „zu *) 1. Moſ. 11.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/206>, abgerufen am 25.11.2024.