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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.

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später durch die Grammatiker aus jenen entwi-
ckelt. Von der Huronischen habe ich eben das-
selbe gelesen, und von den Morgenländischen ists
offenbar -- -- ja was ists denn endlich für ein
Kunststück, die willkührliche und zum Theil un-
philosophische Abstraktion der Grammatiker in acht
partes Orationis? Jst die so regelmäßig und gött-
lich, als die Form einer Bienenzelle? Und wenn
sies wäre, ist sie nicht durchaus aus der menschli-
chen Seele erklärbar und als nothwendig gezeigt?

"Und was sollte die Menschen zu dieser höchst-
"sauren Arbeit der Verbesserung gereitzet haben?"
O durchaus keine saure, spekulative Stubenarbeit!
durchaus keine abstrakte Verbesserung a priori! und
also auch gewiß keine Anreizungen dazu, die nur
in unserm Zustande der verfeinerten Gesellschaft
statt finden. Jch muß hier meinen Gegner ganz
verlassen. Er nimmt an, daß "die ersten Ver-
"besserer recht gute philosophische Köpfe gewesen
"seyn müßten, die gewiß weiter und tiefer gesehen,
"als die meisten Gelehrte jezt in Ansehung der
"Sprache und ihrer innern Beschaffenheit zu
"thun pflegen." Er nimmt an, daß "diese Ge-

"lehrte
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ſpaͤter durch die Grammatiker aus jenen entwi-
ckelt. Von der Huroniſchen habe ich eben daſ-
ſelbe geleſen, und von den Morgenlaͤndiſchen iſts
offenbar — — ja was iſts denn endlich fuͤr ein
Kunſtſtuͤck, die willkuͤhrliche und zum Theil un-
philoſophiſche Abſtraktion der Grammatiker in acht
partes Orationis? Jſt die ſo regelmaͤßig und goͤtt-
lich, als die Form einer Bienenzelle? Und wenn
ſies waͤre, iſt ſie nicht durchaus aus der menſchli-
chen Seele erklaͤrbar und als nothwendig gezeigt?

„Und was ſollte die Menſchen zu dieſer hoͤchſt-
„ſauren Arbeit der Verbeſſerung gereitzet haben?„
O durchaus keine ſaure, ſpekulative Stubenarbeit!
durchaus keine abſtrakte Verbeſſerung a priori! und
alſo auch gewiß keine Anreizungen dazu, die nur
in unſerm Zuſtande der verfeinerten Geſellſchaft
ſtatt finden. Jch muß hier meinen Gegner ganz
verlaſſen. Er nimmt an, daß „die erſten Ver-
„beſſerer recht gute philoſophiſche Koͤpfe geweſen
„ſeyn muͤßten, die gewiß weiter und tiefer geſehen,
„als die meiſten Gelehrte jezt in Anſehung der
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[165/0171] ſpaͤter durch die Grammatiker aus jenen entwi- ckelt. Von der Huroniſchen habe ich eben daſ- ſelbe geleſen, und von den Morgenlaͤndiſchen iſts offenbar — — ja was iſts denn endlich fuͤr ein Kunſtſtuͤck, die willkuͤhrliche und zum Theil un- philoſophiſche Abſtraktion der Grammatiker in acht partes Orationis? Jſt die ſo regelmaͤßig und goͤtt- lich, als die Form einer Bienenzelle? Und wenn ſies waͤre, iſt ſie nicht durchaus aus der menſchli- chen Seele erklaͤrbar und als nothwendig gezeigt? „Und was ſollte die Menſchen zu dieſer hoͤchſt- „ſauren Arbeit der Verbeſſerung gereitzet haben?„ O durchaus keine ſaure, ſpekulative Stubenarbeit! durchaus keine abſtrakte Verbeſſerung a priori! und alſo auch gewiß keine Anreizungen dazu, die nur in unſerm Zuſtande der verfeinerten Geſellſchaft ſtatt finden. Jch muß hier meinen Gegner ganz verlaſſen. Er nimmt an, daß „die erſten Ver- „beſſerer recht gute philoſophiſche Koͤpfe geweſen „ſeyn muͤßten, die gewiß weiter und tiefer geſehen, „als die meiſten Gelehrte jezt in Anſehung der „Sprache und ihrer innern Beſchaffenheit zu „thun pflegen.„ Er nimmt an, daß „dieſe Ge- „lehrte L 3

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/171>, abgerufen am 25.11.2024.