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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.

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ken dachte. Mußte man erst in tausend Genera-
tionen so weit kommen es einzusehen, daß die
Sprache zu verbessern gut sey? Der erste Mensch
sahe es ein, da er seine ersten Merkmale besser ord-
nen, berichtigen, unterscheiden und zusammensetzen
lernte, und verbesserte jedesmal unmittelbar die
Sprache, da er so etwas von neuem lernte. Und
denn wie hätte sich doch durch tausend Genera-
tionen hin das Licht des Verstandes durch die
Sprache so helle aufklären können, wenn im Ab-
lauf dieser Generationen sich nicht schon Sprache
aufgeklährt
hätte. Also Aufklärung ohne Ver-
besserung!
und hinter einer Verbesserung tausend
Familien hinunter noch der Anfang zu einer Ver-
besserung unmöglich? das ist gerade zu wieder-
sprechend. -- -- --

"Würde aber nicht also ein ganz unentbehrlich
"Hülfsmittel dieses Philosophischen und Philologi-
"schen Collegii Schrift müssen angenommen wer-
den?" Nein! denn es war durchaus kein Philoso-
phisch und Philologisch Collegium, diese erste natür-
liche, lebendige, menschliche Fortbildung der Spra-
che: und was kann denn der Philosoph und Philo-

log
L 2

ken dachte. Mußte man erſt in tauſend Genera-
tionen ſo weit kommen es einzuſehen, daß die
Sprache zu verbeſſern gut ſey? Der erſte Menſch
ſahe es ein, da er ſeine erſten Merkmale beſſer ord-
nen, berichtigen, unterſcheiden und zuſammenſetzen
lernte, und verbeſſerte jedesmal unmittelbar die
Sprache, da er ſo etwas von neuem lernte. Und
denn wie haͤtte ſich doch durch tauſend Genera-
tionen hin das Licht des Verſtandes durch die
Sprache ſo helle aufklaͤren koͤnnen, wenn im Ab-
lauf dieſer Generationen ſich nicht ſchon Sprache
aufgeklaͤhrt
haͤtte. Alſo Aufklaͤrung ohne Ver-
beſſerung!
und hinter einer Verbeſſerung tauſend
Familien hinunter noch der Anfang zu einer Ver-
beſſerung unmoͤglich? das iſt gerade zu wieder-
ſprechend. — — —

„Wuͤrde aber nicht alſo ein ganz unentbehrlich
„Huͤlfsmittel dieſes Philoſophiſchen und Philologi-
„ſchen Collegii Schrift muͤſſen angenommen wer-
den?„ Nein! denn es war durchaus kein Philoſo-
phiſch und Philologiſch Collegium, dieſe erſte natuͤr-
liche, lebendige, menſchliche Fortbildung der Spra-
che: und was kann denn der Philoſoph und Philo-

log
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[163/0169] ken dachte. Mußte man erſt in tauſend Genera- tionen ſo weit kommen es einzuſehen, daß die Sprache zu verbeſſern gut ſey? Der erſte Menſch ſahe es ein, da er ſeine erſten Merkmale beſſer ord- nen, berichtigen, unterſcheiden und zuſammenſetzen lernte, und verbeſſerte jedesmal unmittelbar die Sprache, da er ſo etwas von neuem lernte. Und denn wie haͤtte ſich doch durch tauſend Genera- tionen hin das Licht des Verſtandes durch die Sprache ſo helle aufklaͤren koͤnnen, wenn im Ab- lauf dieſer Generationen ſich nicht ſchon Sprache aufgeklaͤhrt haͤtte. Alſo Aufklaͤrung ohne Ver- beſſerung! und hinter einer Verbeſſerung tauſend Familien hinunter noch der Anfang zu einer Ver- beſſerung unmoͤglich? das iſt gerade zu wieder- ſprechend. — — — „Wuͤrde aber nicht alſo ein ganz unentbehrlich „Huͤlfsmittel dieſes Philoſophiſchen und Philologi- „ſchen Collegii Schrift muͤſſen angenommen wer- den?„ Nein! denn es war durchaus kein Philoſo- phiſch und Philologiſch Collegium, dieſe erſte natuͤr- liche, lebendige, menſchliche Fortbildung der Spra- che: und was kann denn der Philoſoph und Philo- log L 2

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/169>, abgerufen am 22.11.2024.