Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite

willkührlich angenommenen Heischesätzen und fal-
schen Axiomen über die Natur der Sprache er ist,
hier ganz auseinander setzen, weil der Verfasser
immer in einem gewissen Licht erschiene, in dem
er hier nicht erscheinen soll -- ich nehme also nur
so viel heraus, als nöthig ist: nemlich, "daß in
"seinen Einwürfen die Natur einer sich fort-
"bildenden menschlichen Sprache und einer
"sich fortbildenden menschlichen Seele durch-
"aus verkannt sey.
"

"Wenn man annimmt, daß die Einwohner
"der ersten Welt nur aus etlichen tausend Familien
"bestanden hätten, da das Licht des Verstandes
"durch den Gebrauch der Sprache schon so helle ge-
"schienen, daß sie eingesehen, was die Sprache
"sey und daß sie also an die Verbesserung dieses herr-
"lichen Mittels haben können anfangen zu denken:
so - -*)" aber von allen diesen Vordersätzen nimmt
niemand nichts an. Mußte mans erst in tausend
Generationen einsehen, was Sprache sey? Der
erste Mensch sahe es ein, da er den ersten Gedan-

ken
*) S. 80. 81.

willkuͤhrlich angenommenen Heiſcheſaͤtzen und fal-
ſchen Axiomen uͤber die Natur der Sprache er iſt,
hier ganz auseinander ſetzen, weil der Verfaſſer
immer in einem gewiſſen Licht erſchiene, in dem
er hier nicht erſcheinen ſoll — ich nehme alſo nur
ſo viel heraus, als noͤthig iſt: nemlich, „daß in
„ſeinen Einwuͤrfen die Natur einer ſich fort-
„bildenden menſchlichen Sprache und einer
„ſich fortbildenden menſchlichen Seele durch-
„aus verkannt ſey.

„Wenn man annimmt, daß die Einwohner
„der erſten Welt nur aus etlichen tauſend Familien
„beſtanden haͤtten, da das Licht des Verſtandes
„durch den Gebrauch der Sprache ſchon ſo helle ge-
„ſchienen, daß ſie eingeſehen, was die Sprache
„ſey und daß ſie alſo an die Verbeſſerung dieſes herr-
„lichen Mittels haben koͤnnen anfangen zu denken:
ſo ‒ ‒*)„ aber von allen dieſen Vorderſaͤtzen nimmt
niemand nichts an. Mußte mans erſt in tauſend
Generationen einſehen, was Sprache ſey? Der
erſte Menſch ſahe es ein, da er den erſten Gedan-

ken
*) S. 80. 81.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0168" n="162"/>
willku&#x0364;hrlich angenommenen Hei&#x017F;che&#x017F;a&#x0364;tzen und fal-<lb/>
&#x017F;chen Axiomen u&#x0364;ber die Natur der Sprache er i&#x017F;t,<lb/>
hier ganz auseinander &#x017F;etzen, weil der Verfa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
immer in einem gewi&#x017F;&#x017F;en Licht er&#x017F;chiene, in dem<lb/>
er hier nicht er&#x017F;cheinen &#x017F;oll &#x2014; ich nehme al&#x017F;o nur<lb/>
&#x017F;o viel heraus, als no&#x0364;thig i&#x017F;t: nemlich, &#x201E;<hi rendition="#fr">daß in<lb/>
&#x201E;&#x017F;einen Einwu&#x0364;rfen die Natur einer &#x017F;ich fort-<lb/>
&#x201E;bildenden men&#x017F;chlichen Sprache und einer<lb/>
&#x201E;&#x017F;ich fortbildenden men&#x017F;chlichen Seele durch-<lb/>
&#x201E;aus verkannt &#x017F;ey.</hi>&#x201E;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Wenn man annimmt, daß die Einwohner<lb/>
&#x201E;der er&#x017F;ten Welt nur aus etlichen tau&#x017F;end Familien<lb/>
&#x201E;be&#x017F;tanden ha&#x0364;tten, da das Licht des Ver&#x017F;tandes<lb/>
&#x201E;durch den Gebrauch der Sprache &#x017F;chon &#x017F;o helle ge-<lb/>
&#x201E;&#x017F;chienen, daß &#x017F;ie einge&#x017F;ehen, was die Sprache<lb/>
&#x201E;&#x017F;ey und daß &#x017F;ie al&#x017F;o an die Verbe&#x017F;&#x017F;erung die&#x017F;es herr-<lb/>
&#x201E;lichen Mittels haben ko&#x0364;nnen anfangen zu denken:<lb/>
&#x017F;o &#x2012; &#x2012;<note place="foot" n="*)">S. 80. 81.</note>&#x201E; aber von allen die&#x017F;en Vorder&#x017F;a&#x0364;tzen nimmt<lb/>
niemand nichts an. Mußte mans er&#x017F;t in tau&#x017F;end<lb/>
Generationen ein&#x017F;ehen, was Sprache &#x017F;ey? Der<lb/>
er&#x017F;te Men&#x017F;ch &#x017F;ahe es ein, da er den er&#x017F;ten Gedan-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ken</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0168] willkuͤhrlich angenommenen Heiſcheſaͤtzen und fal- ſchen Axiomen uͤber die Natur der Sprache er iſt, hier ganz auseinander ſetzen, weil der Verfaſſer immer in einem gewiſſen Licht erſchiene, in dem er hier nicht erſcheinen ſoll — ich nehme alſo nur ſo viel heraus, als noͤthig iſt: nemlich, „daß in „ſeinen Einwuͤrfen die Natur einer ſich fort- „bildenden menſchlichen Sprache und einer „ſich fortbildenden menſchlichen Seele durch- „aus verkannt ſey.„ „Wenn man annimmt, daß die Einwohner „der erſten Welt nur aus etlichen tauſend Familien „beſtanden haͤtten, da das Licht des Verſtandes „durch den Gebrauch der Sprache ſchon ſo helle ge- „ſchienen, daß ſie eingeſehen, was die Sprache „ſey und daß ſie alſo an die Verbeſſerung dieſes herr- „lichen Mittels haben koͤnnen anfangen zu denken: ſo ‒ ‒ *)„ aber von allen dieſen Vorderſaͤtzen nimmt niemand nichts an. Mußte mans erſt in tauſend Generationen einſehen, was Sprache ſey? Der erſte Menſch ſahe es ein, da er den erſten Gedan- ken *) S. 80. 81.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/168
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/168>, abgerufen am 22.11.2024.