Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.der Sprache. Das Gefühl wirft alles auf Ein- 5) Das Gehör ist der mittlere Sinn in Ab- bunden:
der Sprache. Das Gefuͤhl wirft alles auf Ein- 5) Das Gehoͤr iſt der mittlere Sinn in Ab- bunden:
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der Sprache. Das Gefuͤhl wirft alles auf Ein-
mal in uns hin: es regt unſre Saiten ſtark, aber
kurz, und ſpringend; das Geſicht ſtellt uns alles
auf Einmal vor, und ſchrekt alſo den Lehrling
durch die unermeßliche Tafel des neben einander
ab. Durchs Gehoͤr ſehet! wie uns die Lehrmeiſte-
rinn der Sprache ſchonet! ſie zaͤhlt uns nur einen
Ton nach dem andern in die Seele, gibt und er-
muͤdet nie, gibt und hat immer mehr zu geben —
ſie uͤbet alſo das ganze Kunſtſtuͤck der Methode; ſie
lehret progreßiv! Wer koͤnnte da nicht Spra-
che faſſen, ſich Sprache erfinden?
5) Das Gehoͤr iſt der mittlere Sinn in Ab-
ſicht des Beduͤrfniſſes ſich auszudruͤcken, und
alſo Sinn der Sprache. Das Gefuͤhl wuͤrkt un-
ausſprechlich dunkel; allein um ſo weniger darfs,
ausgeſprochen werden — es geht ſo ſehr unſer
Selbſt an! es iſt ſo eigennuͤtzig und in ſich ge-
ſenkt! ‒ ‒ das Geſicht iſt fuͤr den Spracherfinder
unausſprechlich; allein was brauchts ſogleich,
ausgeſprochen zu werden? Die Gegenſtaͤnde blei-
ben! ſie laſſen ſich durch Winke zeigen! die Gegen-
ſtaͤnde des Gehoͤrs aber ſind mit Bewegung ver-
bunden:
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Zitationshilfe: | Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/110>, abgerufen am 22.07.2024. |