stig u. s. w. die doch alle nur Oberflächen betreffen, und nicht einmal tief einwürken, tönen alle, als ob mans fühlte: Die Seele, die im Gedränge sol- cher zusammenströmenden Empfindungen und in der Bedürfniß war, ein Wort zu schaffen, griff und bekam vielleicht das Wort eines nachbarlichen Sinnes, dessen Gefühl mit diesem zusammenfloß, -- so wurden für alle und selbst für den kältesten Sinn Worte. Der Blitz schallet nicht: wenn er nun aber ausgedrükt werden soll, dieser Bote der Mitternacht!
Der jezt im Nu enthüllet, Himm'l und Erd Und eh ein Mensch noch sagen kann: sieh da! Schon in den Schlund der Finsterniß hin- ab ist --
natürlich wirds ein Wort machen, das durch Hülfe eines Mittelgefühls dem Ohr die Empfindung des Urplözlichschnellen gibt, die das Auge hatte -- Blitz! -- Das Wort: Duft, Ton, süß, bitter, sauer u. s. w. tönen alle, als ob man fühlte: denn was sind ursprünglich alle Sinne, anders, als Gefühl? -- Wie aber Gefühl sich in Laut äus- sern könne, das haben wir schon im ersten Ab-
schnitte
ſtig u. ſ. w. die doch alle nur Oberflaͤchen betreffen, und nicht einmal tief einwuͤrken, toͤnen alle, als ob mans fuͤhlte: Die Seele, die im Gedraͤnge ſol- cher zuſammenſtroͤmenden Empfindungen und in der Beduͤrfniß war, ein Wort zu ſchaffen, griff und bekam vielleicht das Wort eines nachbarlichen Sinnes, deſſen Gefuͤhl mit dieſem zuſammenfloß, — ſo wurden fuͤr alle und ſelbſt fuͤr den kaͤlteſten Sinn Worte. Der Blitz ſchallet nicht: wenn er nun aber ausgedruͤkt werden ſoll, dieſer Bote der Mitternacht!
Der jezt im Nu enthuͤllet, Himm’l und Erd Und eh ein Menſch noch ſagen kann: ſieh da! Schon in den Schlund der Finſterniß hin- ab iſt —
natuͤrlich wirds ein Wort machen, das durch Huͤlfe eines Mittelgefuͤhls dem Ohr die Empfindung des Urploͤzlichſchnellen gibt, die das Auge hatte — Blitz! — Das Wort: Duft, Ton, ſuͤß, bitter, ſauer u. ſ. w. toͤnen alle, als ob man fuͤhlte: denn was ſind urſpruͤnglich alle Sinne, anders, als Gefuͤhl? — Wie aber Gefuͤhl ſich in Laut aͤuſ- ſern koͤnne, das haben wir ſchon im erſten Ab-
ſchnitte
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0104"n="98"/>ſtig u. ſ. w. die doch alle nur Oberflaͤchen betreffen,<lb/>
und nicht einmal tief einwuͤrken, toͤnen alle, als<lb/>
ob mans fuͤhlte: Die Seele, die im Gedraͤnge ſol-<lb/>
cher zuſammenſtroͤmenden Empfindungen und in<lb/>
der Beduͤrfniß war, ein Wort zu ſchaffen, griff<lb/>
und bekam vielleicht das Wort eines nachbarlichen<lb/>
Sinnes, deſſen Gefuͤhl mit dieſem zuſammenfloß, —<lb/>ſo wurden fuͤr alle und ſelbſt fuͤr den kaͤlteſten<lb/>
Sinn Worte. Der Blitz ſchallet nicht: wenn er<lb/>
nun aber ausgedruͤkt werden ſoll, dieſer Bote der<lb/>
Mitternacht!</p><lb/><p><hirendition="#et">Der jezt im Nu enthuͤllet, Himm’l und Erd<lb/>
Und eh ein Menſch noch ſagen kann: ſieh da!<lb/>
Schon in den Schlund der Finſterniß hin-<lb/>
ab iſt —</hi></p><lb/><p>natuͤrlich wirds ein Wort machen, das durch Huͤlfe<lb/>
eines Mittelgefuͤhls dem Ohr die Empfindung des<lb/>
Urploͤzlichſchnellen gibt, die das Auge hatte —<lb/>
Blitz! — Das Wort: Duft, Ton, ſuͤß, bitter,<lb/>ſauer u. ſ. w. toͤnen alle, als ob man fuͤhlte: denn<lb/>
was ſind urſpruͤnglich alle Sinne, anders, als<lb/>
Gefuͤhl? — Wie aber Gefuͤhl ſich in Laut aͤuſ-<lb/>ſern koͤnne, das haben wir ſchon im erſten Ab-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſchnitte</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[98/0104]
ſtig u. ſ. w. die doch alle nur Oberflaͤchen betreffen,
und nicht einmal tief einwuͤrken, toͤnen alle, als
ob mans fuͤhlte: Die Seele, die im Gedraͤnge ſol-
cher zuſammenſtroͤmenden Empfindungen und in
der Beduͤrfniß war, ein Wort zu ſchaffen, griff
und bekam vielleicht das Wort eines nachbarlichen
Sinnes, deſſen Gefuͤhl mit dieſem zuſammenfloß, —
ſo wurden fuͤr alle und ſelbſt fuͤr den kaͤlteſten
Sinn Worte. Der Blitz ſchallet nicht: wenn er
nun aber ausgedruͤkt werden ſoll, dieſer Bote der
Mitternacht!
Der jezt im Nu enthuͤllet, Himm’l und Erd
Und eh ein Menſch noch ſagen kann: ſieh da!
Schon in den Schlund der Finſterniß hin-
ab iſt —
natuͤrlich wirds ein Wort machen, das durch Huͤlfe
eines Mittelgefuͤhls dem Ohr die Empfindung des
Urploͤzlichſchnellen gibt, die das Auge hatte —
Blitz! — Das Wort: Duft, Ton, ſuͤß, bitter,
ſauer u. ſ. w. toͤnen alle, als ob man fuͤhlte: denn
was ſind urſpruͤnglich alle Sinne, anders, als
Gefuͤhl? — Wie aber Gefuͤhl ſich in Laut aͤuſ-
ſern koͤnne, das haben wir ſchon im erſten Ab-
ſchnitte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/104>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.