und aus dem leeren Luftraum wenigstens neue Kräfte zum Verschmerzen in sich zöge, indem es die tauben Winde mit Aechzen füllet. So wenig hat uns die Natur, als abgesonderte Steinfelsen, als egoistische Monaden geschaffen! Selbst die feinsten Saiten des thierischen Gefühls (ich muß mich dieses Gleichnisses bedienen, weil ich für die Mechanik fühlender Körper kein besseres weiß!) -- selbst die Saiten, deren Klang und Anstrengung gar nicht von Willkühr und langsamen Bedacht herrühret, ja deren Natur noch von aller forschen- den Vernunft nicht hat erforscht werden können, selbst die sind in ihrem ganzen Spiele, auch ohne das Bewustseyn fremder Sympathie zu einer Aeußerung auf andre Geschöpfe gerichtet. Die ge- schlagne Saite thut ihre Naturpflicht: -- sie klingt! sie ruft einer gleichfühlenden Echo; selbst wenn kei- ne da ist, selbst wenn sie nicht hoffet und wartet, daß ihr eine antworte.
Sollte die Physiologie je so weit kommen, daß sie die Seelenlehre demonstrirte, woran ich aber sehr zweifle, so würde sie dieser Erscheinung man- chen Lichtstrahl aus der Zergliederung des Nerven-
baues
und aus dem leeren Luftraum wenigſtens neue Kraͤfte zum Verſchmerzen in ſich zoͤge, indem es die tauben Winde mit Aechzen fuͤllet. So wenig hat uns die Natur, als abgeſonderte Steinfelſen, als egoiſtiſche Monaden geſchaffen! Selbſt die feinſten Saiten des thieriſchen Gefuͤhls (ich muß mich dieſes Gleichniſſes bedienen, weil ich fuͤr die Mechanik fuͤhlender Koͤrper kein beſſeres weiß!) — ſelbſt die Saiten, deren Klang und Anſtrengung gar nicht von Willkuͤhr und langſamen Bedacht herruͤhret, ja deren Natur noch von aller forſchen- den Vernunft nicht hat erforſcht werden koͤnnen, ſelbſt die ſind in ihrem ganzen Spiele, auch ohne das Bewuſtſeyn fremder Sympathie zu einer Aeußerung auf andre Geſchoͤpfe gerichtet. Die ge- ſchlagne Saite thut ihre Naturpflicht: — ſie klingt! ſie ruft einer gleichfuͤhlenden Echo; ſelbſt wenn kei- ne da iſt, ſelbſt wenn ſie nicht hoffet und wartet, daß ihr eine antworte.
Sollte die Phyſiologie je ſo weit kommen, daß ſie die Seelenlehre demonſtrirte, woran ich aber ſehr zweifle, ſo wuͤrde ſie dieſer Erſcheinung man- chen Lichtſtrahl aus der Zergliederung des Nerven-
baues
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[4/0010]
und aus dem leeren Luftraum wenigſtens neue
Kraͤfte zum Verſchmerzen in ſich zoͤge, indem es
die tauben Winde mit Aechzen fuͤllet. So wenig
hat uns die Natur, als abgeſonderte Steinfelſen,
als egoiſtiſche Monaden geſchaffen! Selbſt die
feinſten Saiten des thieriſchen Gefuͤhls (ich muß
mich dieſes Gleichniſſes bedienen, weil ich fuͤr die
Mechanik fuͤhlender Koͤrper kein beſſeres weiß!) —
ſelbſt die Saiten, deren Klang und Anſtrengung
gar nicht von Willkuͤhr und langſamen Bedacht
herruͤhret, ja deren Natur noch von aller forſchen-
den Vernunft nicht hat erforſcht werden koͤnnen,
ſelbſt die ſind in ihrem ganzen Spiele, auch ohne
das Bewuſtſeyn fremder Sympathie zu einer
Aeußerung auf andre Geſchoͤpfe gerichtet. Die ge-
ſchlagne Saite thut ihre Naturpflicht: — ſie klingt!
ſie ruft einer gleichfuͤhlenden Echo; ſelbſt wenn kei-
ne da iſt, ſelbſt wenn ſie nicht hoffet und wartet,
daß ihr eine antworte.
Sollte die Phyſiologie je ſo weit kommen, daß
ſie die Seelenlehre demonſtrirte, woran ich aber
ſehr zweifle, ſo wuͤrde ſie dieſer Erſcheinung man-
chen Lichtſtrahl aus der Zergliederung des Nerven-
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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/10>, abgerufen am 22.07.2024.
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