schon in der Einleitung in die Philosophie nachgewiesen
wor- den. Endlich, -- was eigentlich allein hieher gehört -- auf empirischem
Wege kann die Behauptung Kants auch nicht einmal scheinbar gemacht werden. Wir
fühlen uns zwar thätig im angestrengten Denken, und sind uns als- dann
zuweilen bewußt, Begriffe aus ihren Merkmalen ab- sichtlich zusammenzusetzen.
Allein da, wo wir ursprünglich das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung in
den Be- griff eines Objects vereinigen *), finden wir uns genöthigt, das Object zu nehmen,
wie es sich darstellt; wir sind darin nur gebunden, und wissen nichts von Acten
der Spon- taneität.
Wahrend nun Thätigkeit weder das Eigne des Ver- standes,
noch der Ursprung der Verbindungen ist, hat da- gegen der Verstand allerdings seinen Sitz in gewissen Ar- ten der Verbindung; ja das ganze obere Vermögen greift eben
dadurch ein in Sinnlichkeit, Gedächtniß und Einbil- dungskraft (die gewöhnlich
geradehin zu den untern Ver- mögen gerechnet werden), daß es bey dem gebildeten
Men- schen sich in so ausgebreiteten Verbindungen zeigt,
die bey dem Wilden und bey dem Thiere gar nicht zu erwarten sind. Hieher
gehört vor allem zuerst die Ausdeh- nung der Vorstellungen des Räumlichen und
Zeitlichen, weit über die Sphäre der sinnlichen Empfindung, ja ins Unend- liche hinaus. Daran besonders erkennt man Thierheit und Wildheit, daß ihr der
veste Blick in die Vergangenheit, und das Voraussehen einer nur etwas entlegenen
Zukunft fehlt.
Ferner ist ein großer Unterschied zwischen dem bloßen Zusammentreffen der Merkmale eines Dinges, und der Unerscheidung dieser Merkmale von der Substanz, der sie bey gelegt werden; desgleichen
zwischen dem bloßen
*) Kritik der
reinen Vernunft §. 17.
schon in der Einleitung in die Philosophie nachgewiesen
wor- den. Endlich, — was eigentlich allein hieher gehört — auf empirischem
Wege kann die Behauptung Kants auch nicht einmal scheinbar gemacht werden. Wir
fühlen uns zwar thätig im angestrengten Denken, und sind uns als- dann
zuweilen bewußt, Begriffe aus ihren Merkmalen ab- sichtlich zusammenzusetzen.
Allein da, wo wir ursprünglich das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung in
den Be- griff eines Objects vereinigen *), finden wir uns genöthigt, das Object zu nehmen,
wie es sich darstellt; wir sind darin nur gebunden, und wissen nichts von Acten
der Spon- taneität.
Wahrend nun Thätigkeit weder das Eigne des Ver- standes,
noch der Ursprung der Verbindungen ist, hat da- gegen der Verstand allerdings seinen Sitz in gewissen Ar- ten der Verbindung; ja das ganze obere Vermögen greift eben
dadurch ein in Sinnlichkeit, Gedächtniß und Einbil- dungskraft (die gewöhnlich
geradehin zu den untern Ver- mögen gerechnet werden), daß es bey dem gebildeten
Men- schen sich in so ausgebreiteten Verbindungen zeigt,
die bey dem Wilden und bey dem Thiere gar nicht zu erwarten sind. Hieher
gehört vor allem zuerst die Ausdeh- nung der Vorstellungen des Räumlichen und
Zeitlichen, weit über die Sphäre der sinnlichen Empfindung, ja ins Unend- liche hinaus. Daran besonders erkennt man Thierheit und Wildheit, daß ihr der
veste Blick in die Vergangenheit, und das Voraussehen einer nur etwas entlegenen
Zukunft fehlt.
Ferner ist ein großer Unterschied zwischen dem bloßen Zusammentreffen der Merkmale eines Dinges, und der Unerscheidung dieser Merkmale von der Substanz, der sie bey gelegt werden; desgleichen
zwischen dem bloßen
*) Kritik der
reinen Vernunft §. 17.
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schon in der Einleitung in die Philosophie nachgewiesen wor-
den. Endlich, — was eigentlich allein hieher gehört —
auf empirischem Wege kann die Behauptung Kants auch
nicht einmal scheinbar gemacht werden. Wir fühlen uns
zwar thätig im angestrengten Denken, und sind uns als-
dann zuweilen bewußt, Begriffe aus ihren Merkmalen ab-
sichtlich zusammenzusetzen. Allein da, wo wir ursprünglich
das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung in den Be-
griff eines Objects vereinigen *), finden wir uns genöthigt,
das Object zu nehmen, wie es sich darstellt; wir sind darin
nur gebunden, und wissen nichts von Acten der Spon-
taneität.
Wahrend nun Thätigkeit weder das Eigne des Ver-
standes, noch der Ursprung der Verbindungen ist, hat da-
gegen der Verstand allerdings seinen Sitz in gewissen Ar-
ten der Verbindung; ja das ganze obere Vermögen greift
eben dadurch ein in Sinnlichkeit, Gedächtniß und Einbil-
dungskraft (die gewöhnlich geradehin zu den untern Ver-
mögen gerechnet werden), daß es bey dem gebildeten Men-
schen sich in so ausgebreiteten Verbindungen zeigt,
die bey dem Wilden und bey dem Thiere gar nicht zu
erwarten sind. Hieher gehört vor allem zuerst die Ausdeh-
nung der Vorstellungen des Räumlichen und Zeitlichen, weit
über die Sphäre der sinnlichen Empfindung, ja ins Unend-
liche hinaus. Daran besonders erkennt man Thierheit und
Wildheit, daß ihr der veste Blick in die Vergangenheit, und
das Voraussehen einer nur etwas entlegenen Zukunft fehlt.
Ferner ist ein großer Unterschied zwischen dem bloßen
Zusammentreffen der Merkmale eines Dinges, und
der Unerscheidung dieser Merkmale von der Substanz,
der sie bey gelegt werden; desgleichen zwischen dem bloßen
*) Kritik der reinen Vernunft §. 17.
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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/59>, abgerufen am 28.07.2024.
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